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BFH: Billigkeitserlass von Nachforderungszinsen bei jahresübergreifenden Periodenverschiebungen in der Umsatzsteuer

Ändert sich die Jahresveranlagung für die Umsatzsteuer, weil der Steuerpflichtige Umsätze (ggf. einen Monat) zu spät erklärt und versteuert hat, besteht für den Steuerpflichtigen ein Anspruch auf Zinserlass aus Billigkeitsgründen.

Umsatzsteuernachforderungen des Finanzamts gehen häufig mit der Festsetzung von Nachforderungszinsen gem. § 233a AO einher. Da die abgabenrechtliche Vorschrift auf eine Jahresbetrachtung abstellt, reicht es für die Entstehung der Zinsen unter Umständen bereits aus, dass der Steuerpflichtige seine Umsätze lediglich einen Monat später erklärt und versteuert als es gesetzlich vorgeschrieben ist. Dies ist bspw. dann der Fall, wenn im Dezember ausgeführte Umsätze erst im Januar des darauffolgenden Jahres angemeldet wurden. Ein solcher Fall lag dem BFH-Urteil vom 23.02.2023 – V R 30/20 zugrunde. 


Der Ausgangsfall 

Ein Personaldienstleister (= Kläger) hatte den Großteil seiner Umsätze regelmäßig einen Monat zu spät versteuert, weil die von ihm beauftragten Subunternehmer die für die Rechnungstellung notwendigen Informationen stets erst mit zeitlichem Versatz zur Verfügung gestellt hatten. Die Betriebsprüfung hatte dies erkannt und dementsprechend u. a. den Januar-Umsatz des Jahres 2001 in den vorhergehenden Dezember des Jahres 2000„zurückgeschoben“. Dadurch änderte sich nachträglich die Jahresveranlagung zur Umsatzsteuer. Als Folge war nach § 233a AO das Jahr 2000 bis zum Zeitpunkt des Erlasses des geänderten Umsatzsteuerbescheids (bspw. im April des Jahres 2004) zu verzinsen. Unter Berücksichtigung der (zinsfreien) Karenzzeit von 15 Monaten wurden somit Nachzahlungszinsen für 24 Monate fällig. Lässt man außer Acht, dass aufgrund der dauerhaft verspäteten Versteuerung der Umsätze auch in den Folgejahren Änderungen angezeigt waren, hätte sich die Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 2001 entsprechend der Erhöhung für das Jahr 2000 reduziert; die Erstattungszinsen würden jedoch (ebenfalls unter Berücksichtigung der Karenzzeit) nur für 12 Monate ermittelt (unter der Annahme, dass auch der geänderte Bescheid für das Jahr 2000 im April des Jahres 2004 ergangen ist). Der Kläger war letztlich also mit Nachzahlungszinsen für ein komplettes Jahr belastet, obwohl die Umsatzsteuer lediglich einen Monat zu spät gezahlt worden war. 

Das Finanzamt lehnte den Antrag des Personaldienstleisters auf Erlass der Zinsen ab. Bereits das Finanzgericht Baden-Württemberg verpflichtete das Finanzamt zur Neubescheidung des Erlassantrags. Weil jedoch das Finanzamt dagegen wiederum Revision eingelegt hatte, musste letztlich der BFH entscheiden. 


Der BFH schlug sich auf die Seite des Finanzgerichts: Durch § 233a AO sollen keine Zinsvorteile abgeschöpft werden, die in Wirklichkeit nicht vorhanden sind. Das in einem solchen Fall, in dem der Liquiditätsvorteil bereits mit der Zahlung der für den Folgemonat angemeldeten Umsatzsteuer wieder entfallen ist, entstehende Übermaß an Zinsen ist entsprechend zu erlassen. Mit anderen Worten: Zumindest für einen Zeitraum von 11 Monaten war ein Billigkeitserlass der festgesetzten Zinsen angezeigt. Etwas anderes ergab sich auch nicht daraus, dass der Personaldienstleister dauerhaft seine Umsatzsteuerschuld einen Monat zu spät angemeldet hatte. Denn – bei unterstellten konstanten Umsätzen – handelt es sich faktisch um einen Einmaleffekt, d. h., in den Folgemonaten gleichen sich die Entlastung aus dem „Zurückschieben“ des Umsatzes in den Vormonat und die Mehrbelastung aus der „Aufnahme“ des Umsatzes des Folgemonats betragsmäßig aus. 

 

Darüber hinaus könnte das Finanzamt die Zinsen sogar vollständig erlassen, wenn bei Ablauf der 15-monatigen Karenzzeit – bis der Zinslauf überhaupt erst beginnt – kein Liquiditätsvorteil mehr vorhanden ist. Ein solcher vollständiger Erlass stünde allerdings weiterhin im Ermessen des Finanzamts.  

Praxishinweis

Periodenverschiebungen in der Umsatzsteuer kommen häufig vor. Der BFH hat nun klargestellt, dass entsprechend der bisherigen Rechtsprechung der Erlass von Nachforderungszinsen zur Umsatzsteuer auch dann angezeigt ist, wenn es zu mehreren aufeinanderfolgenden jahresübergreifenden Periodenverschiebungen im Rahmen von Umsatzsteuervoranmeldungen gekommen ist. Unternehmer, die deswegen mit Festsetzungszinsen belastet werden, sollten einen Billigkeitsantrag auf Erlass dieser Zinsen stellen. 

Unterjährige, also nicht jahresübergreifende Vorteile durch die Umsatzverlagerung sind für die Verzinsung nach § 233a AO irrelevant.

Christoph Müller

Steuerberater

E-Mail:
christoph.mueller@falk-co.de


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