BFH sanktioniert den (hohen) Zinssatz bei Aussetzungszinsen und Säumniszuschlägen …
... trotz der durch das Bundesverfassungsgericht erzwungenen Absenkung des Zinssatzes bei Nachzahlungszinsen
Hintergrund
Das Bundesverfassungsgericht entschied 2022, dass die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen für Zinszeiträume ab 2014 verfassungswidrig ist. Grund dafür war das anhaltende Niedrigzinsniveau auf dem Kapitalmarkt. Der Gesetzgeber reagierte notgedrungen und reduzierte den Zinssatz für Zinsen nach § 233a AO von 6 % pro Jahr auf 1,8 % pro Jahr. Die Senkung des Zinssatzes erfolgte rückwirkend, jedoch erst ab dem 01.01.2019.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erstreckte sich jedoch ausdrücklich nicht auf andere Verzinsungstatbestände. Ob diesbezüglich auch eine Neuregelung erforderlich ist, sollte laut Gesetzesentwurf noch näher geprüft werden. Mittlerweile wurde in mehreren Urteilen über die Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen (§ 240 AO) und Aussetzungszinsen (§ 237 AO) entschieden.
BFH hegt keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der verwendeten Zinssätze
Sofern Steuerzahlungen nicht bis zu ihrer Fälligkeit erfolgen, werden Säumniszuschläge fällig. Die Höhe der Zuschläge beträgt 1 % je angefangener Monat nach Fälligkeit. Dies entspricht einem Jahreszins von 12 %, was besonders in Niedrigzinszeiten recht hoch ist – wobei hierin neben der Verzinsungs- auch eine Strafkomponente enthalten ist.
Gemäß dem jüngsten, im Rahmen eines Vorverfahrens ergangenen BFH-Beschluss vom 16.10.2023 – V B 49/22 (AdV) bestehen jedoch keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit verwirkter Säumniszuschläge. Diese seien notwendig, um die rechtzeitige Zahlung der fälligen Steuer zu erzwingen. Der V. Senat des BFH befindet sich somit in guter Gesellschaft mit anderen BFH-Senaten, wie beispielsweise dem X. Senat, der kurz zuvor in seinem Beschluss vom 13.09.2023 – X B 52/23 (AdV) zum selben Ergebnis gekommen war.
Im Gegensatz zu Nachzahlungszinsen, deren Höhe davon abhängt, wann die Veranlagung erfolgt, kann der Steuerpflichtige die Höhe des Säumniszuschlags selbst beeinflussen. Die Höhe der Säumniszuschläge verstößt laut der BFH-Entscheidung nicht gegen die unionsrechtlichen Grundsätze des Äquivalenz-, Effizienz, Verhältnismäßigkeits- und Neutralitätsprinzips. Es liegt ferner kein Verstoß gegen das Übermaßverbot und damit keine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips des Art. 20 Abs. 3 GG vor. Dies gilt auch, soweit die Säumniszuschläge erst nach dem 31. Dezember 2018 entstanden sind.
Aussetzungszinsen fallen an, wenn die Vollziehung eines Steuerbescheids im Rahmen eines Rechtsbehelfsverfahrens antragsgemäß vom Vollzug ausgesetzt wurde. Sie sind zu erheben, soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage endgültig erfolglos geblieben sind. Die Zinsen werden für den Zeitraum vom Tag des Eingangs des Einspruchs bzw. der Klage (bzw. dem späteren Zeitpunkt der Verfügung der Aussetzung) bis zu dem Tag, an dem die Aussetzung der Vollziehung endet, erhoben. Die Zinsen betragen 0,5 % pro Monat, entsprechend also 6 % pro Jahr.
Auch an der Rechtmäßigkeit der Höhe der Aussetzungszinsen bestehen gemäß eines Beschlusses des FG Düsseldorf vom 24.01.2023 – 12 V 1597/22 A(AO) keine ernstlichen Zweifel. Damit schließt das FG Düsseldorf unmittelbar an eine Entscheidung des FG München vom 07.09.2022 – 15 K 358/22 an: Die Ungleichbehandlung von Aussetzungs- und Nachzahlungszinsen sei durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Im Beschluss des FG Münster vom 08.03.2023 wurde ferner erläutert, dass eine Übertragung der Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts auf Aussetzungszinsen nicht möglich sei, da deren Entstehung – im Gegensatz zu Nachzahlungszinsen – eine Folge bewussten Handelns sei. Zweck der Norm sei, dass außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren und Steuerprozesse nicht ohne ernsthafte Erfolgschancen geführt würden, nur um die Fälligkeit der Steuerzahlung hinauszuzögern. Insofern würde der Zweck die Höhe des Zinssatzes rechtfertigen.
Fazit
Bei Säumniszuschlägen und Aussetzungszinsen bleibt es wohl bei den hohen Zinssätzen. Beim BFH gab es in der Vergangenheit offensichtlich zwar eine gewisse Uneinigkeit, zumindest was die Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge betraf. Angesichts der aktuell steigenden Zinsen scheint es (zumindest für zukünftige Perioden) jedoch unwahrscheinlich, dass die Höhe der Aussetzungszinsen und Säumniszuschläge nach unten angepasst wird.