BFH zum Nachweis der Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers beim Reverse-Charge-Verfahren
Die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG setzt zwar die Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers voraus, nicht aber die Verwendung einer gültigen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer
Im Umsatzsteuerrecht kann die umsatzsteuerliche Einordnung des Leistungsempfängers – ob Unternehmer oder Nichtunternehmer – über den Besteuerungsort, eine mögliche Steuerbefreiung sowie den Steuersatz entscheiden. Auch die nicht ganz unwesentliche Frage, ob der Leistende oder der Leistungsempfänger Steuerschuldner wird, kann von der Qualifizierung des Leistungsempfängers als Unternehmer abhängen.
In bestimmten Geschäftsbereichen, wie bspw. dem E-Commerce, erfährt man häufig wenig über seine Kunden. Eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (UID) wird dem Leistungserbringer oftmals nicht mitgeteilt. In einem vom BFH zu beurteilenden Fall hatte ein im Ausland ansässiger Online-Marktplatzbetreiber (= Kläger) die Unternehmereigenschaft seiner (deutschen) Kunden – bei fehlender UID – an anderen Indizien festgemacht: Mindestanzahl von Transaktionen, Mindesthöhe des Transaktionsvolumens, Registrierung in einer B2B-Plattform. Dem zuständigen Finanzamt war das allerdings zu wenig: Mangels dokumentierter UID sollte der Kläger Schuldner der aus den Umsätzen resultierenden Umsatzsteuer geworden sein. Somit kam es zum Rechtsstreit.
Bereits das vorinstanzliche Finanzgericht hatte ein Einsehen mit dem Kläger und entschied, dass es für den Kundenkreis ohne (gültige) UID nicht allein auf die Mitteilung der UID ankommt. Das sah der BFH nun in seinem aktuellen Urteil vom 31.01.2024 - V R 20/21 ebenso: Er bestätigte die Auffassung des Finanzgerichts insoweit, dass es für die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft zum Leistungsempfänger bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen selbstverständlich auf dessen Unternehmereigenschaft ankomme – nicht aber zwingend auf die Verwendung einer gültigen UID. Die Feststellung des Unternehmerstatus des Kunden sei nach objektiven Kriterien zu treffen. Offen blieb lediglich, ob die Identifizierbarkeit der Unternehmereigenschaft der Kunden mittels der vom Kläger gewählten Methode zuverlässig gewährleistet sei. Eine solche Sachaufklärung und Prüfung wäre dem Finanzgericht möglich gewesen, so der BFH. Da das Finanzgericht seiner Prüfpflicht aber nicht nachgekommen sei, wurde die Sache an das Finanzgericht zurückgewiesen. Insofern kann der BFH-Entscheidung leider nicht abschließend entnommen werden, ob die beschriebenen Methoden zur Bestimmung der Unternehmereigenschaft der Kunden als Vorbild dienen können.
Das Urteil überrascht nicht. Denn schon nach dem Gesetzeswortlaut kommt es lediglich auf die materiell-
rechtliche Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers an. Die Verwendung und Aufzeichnung einer
Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Leistungsempfängers wird gesetzlich nicht gefordert. Der sicherste und
wohl auch einfachste Weg des Nachweises des Unternehmerstatus eines Kunden ist und bleibt allerdings dessen
Verwendung einer gültigen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Gleichwohl besteht nach
höchstinstanzlicher Entscheidung nun Rechtssicherheit darüber, dass der Leistende die Eigenschaft des
Leistungsempfängers auch anderweitig nachweisen kann und in der Nachweisführung grundsätzlich frei ist.
Praxishinweis
Vorsicht: Die vom BFH getroffene Klarstellung hinsichtlich des Nachweises der Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers betrifft nur den Bereich der grenzüberschreitenden sonstigen Leistungen. Hinsichtlich innergemeinschaftlicher (Waren-)Lieferungen wird dagegen die Steuerbefreiung – neben den weiteren Voraussetzungen – gesetzlich am Tatbestand der Verwendung einer zum Zeitpunkt der Lieferung gültigen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers festgemacht. Insofern führt bei innergemeinschaftlichen Lieferungen kein Weg daran vorbei, dass sich der Lieferant die UID nachweisen lässt und vorsorglich auch die Gültigkeit der UID überprüfen lässt (vorzugsweise mittels Vies on-the-Web - European Commission (europa.eu)).