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Die Wesentlichkeitsanalyse – der zentrale Einstieg der Nachhaltigkeitsberichterstattung

Wesentlich oder nicht, und wenn ja für wen? Diese Fragen stellen sich alle Unternehmen im Vorfeld der Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Die Corporate Sustainability Reporting Directive (kurz: CSRD) und somit auch die European Sustainability Reporting Standards (kurz: ESRS) sind durch die Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union am 31. Juli 2023 in Kraft getreten. Durch diesen delegierten Rechtsakt der Europäischen Kommission wurde ein einheitlicher, für alle betroffenen Unternehmen, bindender Rahmen und Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung geschaffen. 

 

Der Umfang und die Granularität der zu berichtenden Inhalte ist in den ESRS geregelt. Die beiden übergreifenden Standards „ESRS 1 – Allgemeine Anforderungen“ und „ESRS 2 – Allgemeine Angaben“ definieren das Vorgehen, den Umfang und die Mindestangaben der geforderten Nachhaltigkeitsberichterstattung. Im Vergleich zu dem im November 2022 veröffentlichten Entwurf der ESRS sind die Pflichtangaben deutlich geringer geworden. Die aktuell noch vorhandenen Pflichtangaben sind in ESRS 2 angegeben.  

 

Durch die Reduzierung der Pflichtangaben hat die in ESRS 1 beschriebene Wesentlichkeitsanalyse an Relevanz und Gewicht gewonnen. ESRS 1 fordert eine doppelte Wesentlichkeit als Grundlage für die Angaben von Nachhaltigkeitsinformationen. Ein Nachhaltigkeitsaspekt im Rahmen der Geschäftstätigkeit des einzelnen Unternehmens gilt als wesentlich, wenn er für die Auswirkung auf die Umwelt sowie Gesellschaft wesentlich ist oder finanziell für das Unternehmen wesentlich ist.  

 

Die zwei Dimensionen der doppelten Wesentlichkeit sind die Wesentlichkeit der Auswirkungen des Unternehmens auf die Umwelt und die Gesellschaft (Inside-Out-Perspektive) und die finanzielle Wesentlichkeit in Form von Auswirkungen des Klimawandels auf die Rentabilität und den Wert des Unternehmens (Outside-In-Perspektive). Die Bewertung der beiden Wesentlichkeitsdimensionen sind miteinander verknüpft. Obwohl es in der Praxis Risiken und Chancen geben wird, die nicht mit den Auswirkungen des Unternehmens in Zusammenhang stehen, stellt die Bewertung der Wesentlichkeit der Auswirkungen den Ausgangspunkt dar. Auswirkungen können von Anfang an finanziell wesentlich sein oder finanziell wesentlich werden, wenn nach vernünftigem Ermessen davon ausgegangen werden kann, dass sie die Finanzlage des Unternehmens kurz-, mittel- oder langfristig beeinflussen werden. 

 

Von einer Wesentlichkeit der Auswirkung spricht man dann, wenn sich ein Nachhaltigkeitsaspekt auf Menschen oder die Umwelt positiv oder negativ auswirkt. In die Betrachtung sind sowohl tatsächliche als auch potenzielle Auswirkungen in einem kurz-, mittel-, oder langfristigen Zeithorizont einzubeziehen. Tatsächliche negative Auswirkungen werden mit dem Schweregrad der Auswirkung bewertet und potenzielle negative Auswirkungen nach dem Schweregrad und der Eintrittswahrscheinlichkeit. Der Schweregrad basiert hierbei auf dem Ausmaß, dem Umfang und der Unabänderbarkeit der jeweiligen Auswirkungen. Beispiele für die Wesentlichkeit der Auswirkung können der Ausstoß von CO2-Emissionen oder die Umweltverschmutzung sein. 

 

Die finanzielle Wesentlichkeit ist eine Erweiterung der Wesentlichkeit, die bei der Jahresabschlusserstellung zu Grunde gelegt wurde. Finanziell wesentlich ist ein Nachhaltigkeitsaspekt, wenn er wesentliche finanzielle Auswirkungen für das Unternehmen nach sich zieht oder diese Auswirkungen zu erwarten sind. Davon ist auszugehen, wenn durch einen Nachhaltigkeitsaspekt Risiken oder Chancen entstehen, die innerhalb eines kurz-, mittel- oder langfristigen Zeithorizonts die Finanzlage des Unternehmens beeinflussen. Bei dieser Beurteilung dürfen nicht nur Aspekte betrachtet werden, die der direkten Kontrolle des Unternehmens unterliegen, sondern müssen auch Risiken und Chancen mitbetrachtet werden, die außerhalb des Konsolidierungskreises bei der Erstellung der Abschlüsse liegen. Ein Beispiel für einen finanziell wesentlichen Aspekt kann die Auswirkung des Klimawandels auf die Rentabilität und den Wert des Unternehmens sein, weil das Geschäftsmodell nicht rechtzeitig angepasst werden kann. 


Neben der Durchführung der Wesentlichkeitsanalyse fordert ESRS 1 die Einbeziehung von Interessenträgern (Stakeholdern) in die Beurteilung der doppelten Wesentlichkeit. Dabei werden zwei Hauptgruppen von Interessenträgern unterschieden (ESRS 1 Tz. 22): 

  • Betroffene Interessenträger: Einzelpersonen oder Gruppen, deren Interesse von den Tätigkeiten des Unternehmens und seinen direkten und indirekten Geschäftsbeziehungen in seiner gesamten Wertschöpfungskette betroffen sind oder betroffen sein könnten, sei es auf positive oder negative Weise, und 
  • Nutzer von Nachhaltigkeitserklärungen: Hauptnutzer der allgemeinen Finanzberichterstattung (bestehende und potenzielle Investoren, Kreditgeber und andere Gläubiger, einschließlich Vermögensverwalter, Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen) und sonstige Nutzer der Nachhaltigkeitserklärung, einschließlich der Geschäftspartner, Gewerkschaften und Sozialpartner des Unternehmens, der Zivilgesellschaft sowie Nichtregierungsorganisationen, Regierungen, Analysten und Wissenschaftler. 

 

Zusätzlich zu der Identifikation und Gewichtung der relevanten Interessenträger müssen in Vorbereitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung die für das Unternehmen relevanten Nachhaltigkeitsaspekte der in Anlage A zu ESRS 1 angegebenen 94 Themen, Unterthemen und Unter-Unterthemen ausgewählt werden. 

 

Kommt ein Unternehmen bei der Auswahl der zutreffenden Nachhaltigkeitsaspekte zu dem Schluss, dass der Klimawandel nicht wesentlich ist, muss die Schlussfolgerung der Bewertung der Wesentlichkeit in Bezug auf den Klimawandel ausführlich dargelegt und zusätzlich darüber berichtet werden, was zukünftig dazu führen könnte, dass das Unternehmen den Klimawandel als wesentlich einstuft. Bei allen anderen Nachhaltigkeitsaspekten, die als nicht wesentlich eingestuft und daher in der Berichterstattung weggelassen werden, genügt eine kurze Erläuterung der Schlussfolgerung der Bewertung des jeweiligen Nachhaltigkeitsaspektes. 

 

Nach den Vorarbeiten (Auswahl und Gewichtung der Interessenträger und Nachhaltigkeitsaspekte) halten wir es für sachgerecht, dass die Interessenträger den Nachhaltigkeitsaspekten zugeordnet werden. Im Anschluss werden die Ergebnisse der Gespräche oder der Umfragen entsprechend gewichtet und daraus die geforderte Wesentlichkeitsmatrix erstellt. Auf Basis der Wesentlichkeitsmatrix werden anschließend die wesentlichen Themen, Unterthemen und Unter-Unterthemen sowie Berichtsangaben, unter Beachtung der schrittweisen Übergangserleichterungen (Anlage C ESRS 1) sowie des Ablaufdiagramms zur Bestimmung von Angaben im Rahmen des ESRS (Anlage E ESRS 1), festgelegt. 

Sebastian Schaaf

IT-Auditor IDW Sustainability-Auditor IDW

E-Mail:
sebastian.schaaf@falk-co.de


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