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Erstmalige Anwendung der ISA [DE] bei der Abschlussprüfung

Auswirkungen auf die Prüfungspraxis

ISA [DE], IDW PS, neue GoA: Viele Abkürzungen – wie hängen diese zusammen?

Die ISA [DE] sind die deutschen Übersetzungen der im Original in englischer Sprache verabschiedeten internationalen Prüfungsstandards (International Standards on Auditing) unter Berücksichtigung nationaler Besonderheiten. Diese sind – nach zweimaliger Verschiebung – zum ersten Mal nun für alle Abschlussprüfungen anzuwenden, nicht mehr nur für die Prüfungen von sog. PIEs (kapitalmarktorientierte Unternehmen, Banken und Versicherungen), und zwar für Zeiträume, die am oder nach dem 15.12.2022 beginnen – mit Ausnahme von Rumpfgeschäftsjahren, die vor dem 31.12.2023 enden. Damit erfolgt die erstmalige Anwendung der ISA [DE] bei der Prüfung von Abschlüssen für kalenderjahrgleiche Geschäftsjahre 2023. Die bisher maßgebenden deutschen IDW Prüfungsstandards (IDW PS) basierten zwar auf den ISAs, waren aber insbesondere in der Struktur abweichend und nicht in allen Vorgaben identisch.


Dabei ist zu beachten, dass der Ausdruck „Prüfung nach ISA [DE]“ eigentlich zu kurz gefasst ist, genauer ist die Abschlussprüfung unter Beachtung der neuen, vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) festgestellten deutschen Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung (sog. neue GoA) vorzunehmen. Die neuen GoA umfassen die ISA [DE], daneben aber auch bestimmte IDW Prüfungsstandards (IDW PS), die immer dann zur Anwendung kommen, wenn es dazu in den ISA [DE] aufgrund von deutschen Besonderheiten keine Regelung gibt – wie z. B. bei der Prüfung des Lageberichts nach IDW PS 350 n. F., der ein typisch deutsches Rechnungslegungsinstrument ist.


Welche Vorteile ergeben sich grundsätzlich aus der Einführung der ISA [DE]?

Die Anwendung der ISA [DE] erhöht die Einheitlichkeit von Abschlussprüfungen im internationalen Vergleich. Internationale Mandanten, insb. deutsche Tochterunternehmen internationaler Konzerne, können nun einfacher nachweisen, dass nach internationalen Standards geprüft und damit eine einheitliche Regelungssystematik und Terminologie verwendet wird. Dies stärkt das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Abschlussprüfung.


Ergeben sich Auswirkungen auf die Prüfungspraxis? – Ja!


Wechsel des Abschlussprüfers

Bei einem Wechsel des Abschlussprüfers hat der neue Abschlussprüfer nach ISA [DE] 510 ausreichende und geeignete Prüfungsnachweise darüber zu erlangen, ob die Eröffnungsbilanzwerte falsche Darstellungen mit wesentlichen Auswirkungen auf den Jahresabschluss des zu prüfenden Geschäftsjahres enthalten.


Allein das Lesen des Prüfungsberichts und Bestätigungsvermerks des Vorjahres durch den neuen Abschlussprüfer wird künftig nicht mehr ausreichen. Der neue Abschlussprüfer wird ein Übergabegespräch mit dem Vorjahresprüfer führen und ggf. im Falle eines eingeschränkten Bestätigungsvermerks die Arbeitspapiere des Vorjahres einsehen wollen. Dies setzt jedoch voraus, dass der Mandant im Vorfeld den Abschlussprüfer des Vorjahresabschlusses von dessen Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem neuen Abschlussprüfer entbindet.


Differenziertere Vorgehensweise bei der Risikoidentifizierung und -beurteilung inhärenter Risiken

Im Zuge der erstmaligen Anwendung des ISA [DE] 315 (Revised 2019) werden wir als Abschlussprüfer verstärkt hinterfragen, wie das Management und die für die Überwachung Verantwortlichen für die Aufstellung des Abschlusses relevante Geschäftsrisiken identifizieren und über Maßnahmen entscheiden. Dies liegt in der Verantwortung der Geschäftsführung und des Überwachungsorgans.

Der Abschlussprüfer muss – wie bisher auch schon – hierüber ein tiefgehendes Verständnis gewinnen. Künftig muss der Abschlussprüfer aber bei der Risikoidentifizierung und -beurteilung wesentlicher falscher Darstellungen sehr viel detaillierter vorgehen. Er muss differenzierter das Spektrum der inhärenten Risiken einschätzen und dokumentieren. Neben der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit und des Ausmaßes der falschen Darstellung (sog. quantitative Risikofaktoren) hat er die sog. qualitativen Risikofaktoren (z. B. Komplexität, Subjektivität, Veränderung, Unsicherheit, Management Bias und Fraud) zu würdigen. Auch hier ist der Austausch mit dem Mandanten gefragt.


Prüfung von Schätzwerten

Bei der Prüfung von geschätzten Werten nach ISA [DE] 540 Revised sind Daten, Methoden und Annahmen von geschätzten Werten gesondert zu untersuchen. Der Abschlussprüfer muss hinterfragen, aus welchen Quellen die Daten stammen, wie das Management den geschätzten Wert in der Rechnungslegung ermittelt hat (z. B. durch Entwicklung einer Punktschätzung, Festlegung von Bandbreiten oder Betrachtung und Bewertung von verschiedenen Szenarien) und ob die zugrunde gelegten Annahmen vertretbar sind. Daraus resultieren erhöhte Anforderungen in Bezug auf die Prüfungshandlungen zur Risikobeurteilung sowie erweiterte Dokumentations- und Kommunikationsanforderungen. Damit sind auch bei Prüfung von Schätzwerten zukünftig die Mandanten stärker bei ihrer Mitwirkung gefordert.

Fazit

Auch wenn es keine materiellen Änderungen im Rahmen der Abschlussprüfung gibt und die bisherigen Prüfungsstandards (IDW PS) weitestgehend den ISA entsprachen, bringt dennoch die erstmalige Anwendung der ISA [DE] einige Änderungen/Anpassungen und Klarstellungen im Prüfungsvorgehen mit sich, die auch unsere Mandanten in der Prüfungspraxis merken werden.

Elena Steinbach

Wirtschaftsprüferin Steuerberaterin

E-Mail:
elena.steinbach@falk-co.de


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