Umsatzsteuer: BMF-Schreiben zur Zuordnung von Leistungen zum Unternehmen
Nach Rechtsprechung des EuGH und BFH positioniert sich die Finanzverwaltung
Nachdem bereits der EuGH (wir berichteten an dieser Stelle: FALK GmbH & Co KG (falk-co.de)) und der BFH über den Zeitpunkt und die Dokumentation der Zuordnung von Leistungsbezügen zum Unternehmen zu entscheiden hatten, nimmt das BMF im aktuellen Schreiben vom 17.05.2024 Stellung und passt den Umsatzsteuer-Anwendungserlass entsprechend an.
1. Hintergrund: Zuordnung von Leistungsbezügen zum Unternehmensvermögen
Die Zuordnung von bezogenen Liefergegenständen oder Dienstleistungen zum umsatzsteuerlichen Unternehmensvermögen des Unternehmers ist die Voraussetzung, damit der begehrte Vorsteuerabzug dem Grunde nach zulässig ist (vorbehaltlich anderer Ausschlussgründe, wie beispielsweise die Erbringung steuerfreier Ausgangsleistungen). Da dem Unternehmer bei einer gemischten/teilunternehmerischen Nutzung der Leistungsbezüge im Grundsatz ein Zuordnungs-Wahlrecht zusteht, bedarf es regelmäßig einer Dokumentation der vorgenommenen Zuordnung – wobei dies innerhalb der regulären Abgabefrist für die Umsatzsteuererklärung des jeweiligen Jahres erfolgen muss (sog. Ausschlussfrist). Streit war in der Vergangenheit immer wieder darüber entbrannt, ob innerhalb dieser Frist auch eine Mitteilung an das Finanzamt erfolgt sein muss.
2. Rechtsprechung zur Zuordnung
Der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteile vom 14. Oktober 2021 - C-45/20 und C-46/20) hatte entschieden, dass eine Ausschlussfrist hinsichtlich der Zuordnung nicht generell unvereinbar mit Unionsrecht ist. Eine Verpflichtung zur Mitteilung an das Finanzamt binnen der vorgenannten Frist stehe den EU-rechtlichen Bestimmungen somit zwar nicht entgegen, eine verspätete Mitteilung dürfe aber nicht mit dem Verlust des Vorsteuerabzugs einhergehen, da es sich lediglich um einen Verstoß gegen eine formelle Anforderung handle. Ein Verlust des Vorsteuerabzugs sei nur dann sachgerecht, wenn dies der Verhinderung von betrügerischen oder missbräuchlichen Verhaltensweisen diene.
Der Bundesfinanzhof (BFH, Urteile vom 4. Mai 2022 - XI R 28/21 und XI R 29/21) hatte hieraus gefolgert, dass keine fristgebundene Mitteilung an die Finanzbehörde erforderlich ist, wenn innerhalb der Dokumentationsfrist objektiv erkennbare Beweisanzeichen für die Zuordnung vorliegen. Diese Anhaltspunkte können auch nach Ablauf der Frist mitgeteilt werden. Für die Zuordnung beispielsweise eines Gebäudeteils zum Unternehmen kann die Bezeichnung eines Zimmers als Arbeitszimmer in den Bauantragsunterlagen ausreichen, wenn dies durch weitere objektive Anhaltspunkte unterstützt wird, wie z. B. die Notwendigkeit eines Büroraums für den Gewerbebetrieb.
3. Anwendung der Rechtsprechung durch die Finanzverwaltung – BMF vom 17.05.2024
a) Grundsätze der Zuordnung
Eine Leistung, die ausschließlich für unternehmerische Tätigkeiten bezogen wird, ist vollständig dem Unternehmen zuzuordnen. Bei einer Nutzung, die nicht mindestens 10 % der unternehmerischen Mindestnutzung erreicht, greift das Zuordnungsverbot gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG.
b) Zuordnungswahlrecht bei gemischter Nutzung
Bei teilunternehmerischer Nutzung hat der Unternehmer ein Wahlrecht, den Gegenstand entweder vollständig oder anteilig dem Unternehmen zuzuordnen. Diese Zuordnungsentscheidung muss durch Beweisanzeichen gestützt sein, wie z. B. Verträge über steuerpflichtige und steuerfreie Umsätze.
c) Implizite Zuordnung
Die Zuordnung kann auch konkludent erfolgen, z. B. durch das Handeln des Steuerpflichtigen beim Erwerb des Gegenstands. Ein Beispiel dafür ist der Abschluss eines Vertrags zum Weiterverkauf von Strom einer Photovoltaikanlage, was eine vollständige Zuordnung zum Unternehmen indiziert.
d) Fehlen von Beweisanzeichen
Ohne objektive Beweisanzeichen kann eine Zuordnung nicht unterstellt werden. Eine höhere unternehmerische Nutzung führt nicht zu einer nachträglichen Erhöhung des Vorsteuerabzugs.
e) Dokumentation und Fristen
Die Zuordnungsentscheidung muss bei Leistungsbezug getroffen und dokumentiert werden – spätestens jedoch bis zum Ablauf der Regelabgabefrist für die Jahressteuererklärung (also bis zum 31. Juli des Folgejahres; gewährte Fristverlängerungen spielen keine Rolle). Dies kann durch den Vorsteuerabzug oder andere objektiv erkennbare Anhaltspunkte geschehen. Eine ausdrückliche Mitteilung ist nur erforderlich, wenn keine objektiven Beweisanzeichen vorliegen.
f) Beweisanzeichen für die Zuordnung
Beispiele für objektiv erkennbare Beweisanzeichen sind betriebliche Versicherungen, bilanzielle Behandlung, Abschluss von Verträgen zur Erzielung von Ausgangsumsätzen und Angaben in Bauantragsunterlagen. Ein Zeugenbeweis stellt kein objektives Beweisanzeichen dar.
g) Fehlen des Vorsteuerabzugs
Das Fehlen eines Vorsteuerabzugs ist ein starkes Indiz gegen die Zuordnung des Gegenstands zum Unternehmen, lässt aber für sich genommen nicht den Schluss zu, dass der Gegenstand nicht zugeordnet wurde.
Praxishinweis
Das BMF-Schreiben sorgt für mehr Klarheit und setzt die Rechtsprechung um. Allerdings empfiehlt sich weiterhin, im Vorfeld eine Dokumentation der Zuordnungsentscheidung vorzunehmen, um kein Risiko einzugehen. Denn fehlt es an einer Zuordnung, kann auch zu einem späteren Zeitpunkt kein Vorsteuerabzug geltend gemacht werden, da es leider an einer gesetzlichen Regelung für Umsatzsteuerentlastung von Einlagen in das Unternehmen fehlt.
Besondere Vorsicht ist somit bei größeren Investitionen geboten, über deren Vorsteuerabzug man sich erst bei Erstellung der Umsatzsteuerjahreserklärung Gedanken machen möchte. Da die Erstellung der Erklärung häufig erst nach der regulären Abgabefrist erfolgt, ist hier regelmäßig Gefahr im Verzug.