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Umsatzsteuer: EuGH – Anwendung der Sonderregelung für Reiseleistungen nicht nur bei Leistungspaketen

Verkauf von Flugtickets ohne weitere Zusatzleistungen durch ein Reisebüro unterliegt der Margenbesteuerung

Die neue Entscheidung des EuGH vom 25.06.2024 - C-763/23 - Dragoram Tour steht im Widerspruch zur derzeit noch geltenden deutschen Verwaltungsauffassung. Hiernach ist von einer sog. Reiseleistung grundsätzlich nur dann auszugehen, wenn der Unternehmer ein Bündel von Einzelleistungen erbringt, das zumindest auch eine Beförderungs- oder Unterbringungsleistung beinhaltet.


1.      Grundlegendes

Für Reiseleistungen gilt nach § 25 UStG mit der sog. Margenbesteuerung eine besondere Besteuerungsregelung. Danach ist der Ort der Reiseleistung dort, wo der leistende Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Die Vorsteuer aus den Reisevorleistungen darf nicht abgezogen werden, sondern die Ausgangssteuer wird aus der Differenz zwischen Ausgangsumsatz und Vorleistungen (Marge) ermittelt. Dies führt im Ergebnis dazu, dass die Vorleistungen endgültig mit Umsatzsteuer belastet werden und die Marge des Unternehmers (Reiseveranstalters) in seinem Ansässigkeitsstaat der Besteuerung unterliegt. Dies hat den Nachteil, dass bei Reiseleistungen im B2B-Bereich die gesamte Leistung (Vorleistungen und Marge) definitiv mit Umsatzsteuer belastet wird.


2.      Sachverhalt

Im Zentrum des Rechtsstreits steht das Unternehmen Dragoram Tour SRL, ein rumänisches Reisebüro, das Flugtickets von Fluggesellschaften kauft und diese zzgl. eines Gewinnaufschlags an natürliche Personen weiterverkauft. Die rumänischen Steuerbehörden forderten von Dragoram Tour Mehrwertsteuer für diese Tätigkeit nach der Sonderregelung für Reisebüros, die auf die Marge der verkauften Flugtickets angewandt wird. Dragoram Tour widersprach dem und argumentierte, dass die normale Mehrwertsteuerregelung (in diesem Fall eine Mehrwertsteuerbefreiung) angewandt werden sollte, da keine zusätzlichen Dienstleistungen erbracht werden.

 

3.      Entscheidung des EuGH

Der Gerichtshof stellte klar, dass gemäß Artikel 306 der MwSt-Richtlinie die Sonderregelung für Reisebüros auf den Wiederverkauf von bei Dritten erworbenen Flugtickets anzuwenden ist, auch wenn keine zusätzlichen touristischen Dienstleistungen erbracht werden. Auch wenn das Reisebüro nur Flugtickets verkauft und keine weiteren Dienstleistungen (außer Information und Beratung) erbringt, fällt diese Tätigkeit unter die Sonderregelung. Der Gerichtshof betonte, dass die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung nicht zulässig ist, da die Richtlinie keine Ausnahme von der obligatorischen Anwendung der Sonderregelung vorsieht. Folglich darf ein Mitgliedstaat, wie im vorliegenden Fall Rumänien, keine Regelung einführen, die es einem Reisebüro erlaubt, zwischen der Anwendung der Sonderregelung und der normalen Regelung zu wählen.

Praxishinweis

Fraglich ist, ob dieser vom EuGH formulierte Grundsatz für alle Unternehmen gelten soll oder nur für solche, die überwiegend Reiseleistungen erbringen. In der Vergangenheit hat der Gerichtshof (Urteil vom 01.03.2012 - C-220/11, Star Coaches) entschieden, dass ein Unternehmen (kein Reisebüro), das Beförderungsleistungen mit Reisebussen (auch durch Subunternehmer) erbringt und ansonsten keine weiteren Leistungen durchführt, nicht in den Anwendungsbereich der Sonderregelung fällt.


Solange der für die deutschen Finanzbehörden verbindliche Umsatzsteuer-Anwendungserlass nicht geändert wird, kann für die deutsche Rechtsanwendung weiterhin davon ausgegangen werden, dass regelmäßig weitere Leistungselemente hinzutreten müssen, um von einer Reiseleistung ausgehen zu können (eine Ausnahme besteht lediglich für sog. Beherbergungsleistungen). Andererseits differenziert die deutsche Finanzverwaltung im Hinblick auf die Anwendung der Margenbesteuerung nicht danach, ob es sich bei dem leistenden Unternehmer um ein Reisebüro bzw. einen Reiseveranstalter oder ein Unternehmen einer anderen Branche handelt. Die verbleibenden Rechtsunsicherheiten und die regelmäßigen Vorlagen an den EuGH unterstreichen die Reformbedürftigkeit der Regelung.

Dr. Christian Merkel

Steuerberater

E-Mail:
christian.merkel@falk-co.de


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