Umsatzsteuer: Verwaltungsräte sind ungeachtet einer fixen oder variablen Vergütung keine Unternehmer
Der EuGH entwickelt seine Rechtsprechung zu Aufsichtsräten in einem Fall eines Verwaltungsrats einer Aktiengesellschaft luxemburgischen Rechts weiter.
Der EuGH hat bereits in der Rechtssache IO (C-420/18) entschieden, dass die Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds einer niederländischen Stiftung mit fester Vergütung als unselbständig anzusehen und daher nicht umsatzsteuerbar ist. Daraufhin hat der BFH (V R 23/19) seine Rechtsprechung für Aufsichtsräte mit festen Bezügen angepasst und auch die Finanzverwaltung hat ihre Auffassung entsprechend geändert. Die derzeitige Regelung der Finanzverwaltung (Abschnitt 2.2 Abs. 3a UStAE) besagt, dass nur Aufsichtsräte mit einem variablen Anteil ab 10 % der Gesamtvergütung als selbständig und damit als Unternehmer anzusehen sind. Diese Auffassung dürfte vor dem Hintergrund der jüngsten EuGH-Entscheidung nicht mehr haltbar sein.
Sachverhalt
Der Rechtsanwalt TP ist Mitglied des Verwaltungsrats von vier luxemburgischen Aktiengesellschaften ohne Arbeitsvertrag mit einer Amtszeit von bis zu sechs Jahren. Der Verwaltungsrat ist ein obligatorisches Organ, das über die Rechnungslegung, die Risikopolitik und die Strategie der Gruppe entscheidet. TP berät die Gesellschaft, nimmt an Abstimmungen teil, haftet aber nicht persönlich für Verbindlichkeiten. Das wirtschaftliche Risiko trägt die Gesellschaft, nicht TP, auch bei der Tantieme, die vom Erfolg der Gesellschaft abhängig ist.
Entscheidung des EuGH vom 21.12.2023 – C 288/22 TP
Laut EuGH muss das nationale Gericht die Selbständigkeit prüfen, indem es untersucht, ob die Person Tätigkeiten im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und unter eigener Verantwortung ausübt und das damit verbundene wirtschaftliche Risiko trägt. TP trage kein wirtschaftliches Risiko, da die Gesellschaft mögliche negative Folgen der Entscheidungen der Verwaltungsräte trage. Die Tantieme führt auch nicht zu einem eigenen Gewinn- oder Verlustrisiko für TP.
Praxishinweis
Wie in der bisherigen Rechtsprechung zur Frage der Selbständigkeit von Aufsichtsräten wird auch hier darauf abgestellt, ob der Verwaltungsrat Risiken der Gesellschaft trägt. Das für die Abgrenzung zwischen selbständiger und unselbständiger Tätigkeit ohnehin völlig ungeeignete Kriterium einer fixen oder variablen Vergütung spielt hingegen keine Rolle mehr. Dies ist zu begrüßen, da es für die Frage der Selbständigkeit keine Rolle spielen kann, ob ein Pauschalhonorar oder ein Honorar nach Zeitaufwand gezahlt wird.
Auch wenn sich die (Aufsichts-)Organe der in den EU-Mitgliedstaaten etablierten Gesellschaftsformen unterscheiden mögen, sollte es tatsächlich darauf ankommen, ob eine abhängige (weisungsgebundene) Beschäftigung vorliegt oder nicht. Bei einem Aufsichtsorgan, dessen Mitglieder keinen Weisungen unterliegen, ist dies nach unserer Auffassung zu verneinen, was eigentlich für eine selbständige Tätigkeit des Mitglieds des Aufsichtsorgans sprechen würde. Ebenso gibt es Haftungsnormen, nach denen ein Mitglied eines Aufsichtsorgans bei Pflichtverletzungen in Anspruch genommen werden kann, was ebenfalls für eine Risikotragung und damit für die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit spricht. Aus der Rechtsprechung (so bereits in der Rs. IO) dürfte jedoch abzuleiten sein, dass die Tätigkeit aller Personen, die Organen wie Aufsichtsräten, Beiräten und Verwaltungsräten angehören, keine umsatzsteuerbare Tätigkeit darstellt.
Es ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung den Umsatzsteuer-Anwendungserlass entsprechend anpassen wird und die Tätigkeit von Aufsichts-, Beirats- und Verwaltungsratsmitgliedern künftig nicht mehr der Umsatzsteuer unterliegt. Fraglich ist, wie diese Rechtsprechung die umsatzsteuerliche Behandlung von Mitgliedern von Geschäftsleitungsgremien beeinflusst. Hier stellen sich im Grunde genommen die gleichen Fragen. Bisher hing es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob eine umsatzsteuerbare selbständige oder eine nicht umsatzsteuerbare nicht selbständige Tätigkeit vorlag.