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Umsatzsteuer: Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger ist unabhängig vom Status des leistenden Unternehmers als Ist-Versteuerer

Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs ist auch dann nicht missbräuchlich, wenn der leistende Unternehmer aufgrund der ihm gestatteten Ist-Versteuerung die Umsatzsteuer noch nicht angemeldet hat.

Der EuGH (Urteil vom 10.02.2022, C-9/20) hatte bereits festgestellt, dass die deutschen Regelungen zum Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs im Zusammenhang mit der Ist-Versteuerung nicht korrekt sind. Der BFH hat nun unter dem Datum 12.07.2023 ein Urteil veröffentlicht (Az. XI R 5/21), das im Sinne der Steuerpflichtigen ist. Das Urteil bestätigt, dass das geltende Recht zur Vorsteuerabzugsberechtigung unverändert bleibt.


Hintergrund

Gemäß § 20 UStG kann das Finanzamt auf Antrag einem Unternehmer erlauben, die Steuer nach vereinnahmten Entgelten anzumelden (Ist-Versteuerung, also im Zeitpunkt des Zahlungseingangs) – abweichend vom Grundsatz der Versteuerung im Zeitpunkt der Leistungserbringung (sog. Versteuerung nach vereinbarten Entgelten, unabhängig vom Zahlungszeitpunkt). Obwohl der leistende Unternehmer aufgrund der Gestattung der Ist-Versteuerung unmittelbar nach der Leistungserbringung noch keine Umsatzsteuer schuldet, ist der Leistungsempfänger gemäß § 15 Abs. 1 UStG bereits bei Leistungserbringung und Erhalt der Rechnung zum Vorsteuerabzug berechtigt. Wenn allerdings Leistungserbringung und Zahlung zeitlich (sehr) weit auseinanderliegen, besteht die Gefahr eines Steuerausfalls, was das Finanzamt als missbräuchliche Steuergestaltung betrachten könnte.


Entscheidung des BFH

Der BFH hat nun entschieden, dass die Berechtigung des Leistungsempfängers zum Vorsteuerabzug unmittelbar nach Eingang der Rechnung über die bezogene Leistung – trotz einer noch nicht vom leistenden Unternehmer abgeführten Umsatzsteuer – nicht auf einer missbräuchlichen Gestaltung beruht – selbst dann, wenn die Zahlung sehr spät erfolgt. Daher darf dem leistenden Unternehmer die Erlaubnis zur Ist-Versteuerung nicht widerrufen werden. Die Problematik resultiert vielmehr daraus, dass die unionsrechtliche Vorgabe des Art. 167 MwStSystRL in Deutschland unzutreffend umgesetzt wurde, wie bereits der EuGH entschieden hat. Mit anderen Worten erachtet es der EuGH als sachgerecht, für den Fall der Ist-Versteuerung die Berechtigung des Vorsteuerabzugs im Falle der Ist-Versteuerung an den Zahlungszeitpunkt anzuknüpfen.

Praxishinweis

Das BFH-Urteil schützt Steuerpflichtige davor, dass das Finanzamt in derartigen Fällen eine missbräuchliche Gestaltung annimmt. Die Vorsteuerabzugsberechtigung des Leistungsempfängers bleibt vorerst unverändert und ist somit nicht davon abhängig, ob der leistende Unternehmer seine Umsätze nach vereinbarten Entgelten (Soll-Versteuerung) oder nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Versteuerung) besteuert. Es bleibt jedoch offen, wie der nationale Gesetzgeber mit der bereits vom EuGH festgestellten Unionsrechtswidrigkeit umgehen wird. In Anbetracht der Praxistauglichkeit bleibt jedenfalls zu hoffen, dass der deutsche Gesetzgeber an der derzeitigen Handhabung festhält. Andernfalls würde sich die Problematik ergeben, wie für die Auftraggeber gerade bei kleineren Auftragnehmern die Art der Versteuerung zu erkennen bzw. zu ermitteln ist.

Christian Merkel

Steuerberater

E-Mail:
christian.merkel@falk-co.de


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