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Unentgeltliche Übertragung der Wirtschaftsgüter eines Gewerbebetriebs unter Vorbehaltsnießbrauch

Mit Urteil vom 29.01.2025 - X R 25/19 setzt der BFH seine Rechtsprechung zur Übertragung von betrieblichem Vermögen unter Nießbrauchsvorbehalt fort.

Eine unentgeltliche Betriebsübertragung im Ganzen (§ 6 Abs. 3 EStG), die die Fortführung der Buchwerte des Übergebers durch den Übernehmer erlaubt, setzt bei gewerblichen Einzelunternehmen die Beendigung der bisherigen Tätigkeit durch den Übergeber voraus.


Das war die nicht selten zumindest in ähnlicher Form anzutreffende Ausgangssituation

Mutter M führte nach dem Vorversterben ihres Ehemannes im Jahr 1994 ein gewerbliches Einzelunternehmen. Ende 1995 hat sie mit ihrem Sohn K (Kläger) im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge einen (unentgeltlichen) Übergabevertrag betreffend die Vermögenswerte und Schulden des gewerblichen Einzelunternehmens geschlossen:


  • In diesem Vertrag behielt sie sich das lebenslängliche Nießbrauchsrecht vor.
  • Sie hatte insb. sowohl sämtliche Aufwendungen auf den übertragenen Grundbesitz zu tragen als auch die übertragenen Darlehen zu bedienen (Zins und Tilgung).
  • Auch die weitere Bewirtschaftung des Betriebs oblag vertragsgemäß ihr.
  • Bestandteil der übergegangenen Vermögenswerte waren u. a. auch verschiedene Forderungen gegenüber einer GmbH.

Aus dem Übergabevertrag zogen die Parteien keine steuerlichen Folgen: M führte ihre bisherige Tätigkeit fort und bilanzierte weiterhin das betrieblich genutzte Vermögen im Rahmen ihres Gewerbebetriebs. Die mitübertragenen Forderungen gegenüber der GmbH wurden auf den 31.12.1999 auf einen niedrigeren Teilwert erfolgswirksam abgeschrieben.


Mit Vertrag vom Dezember 2002 verzichtete M zum 31.12.2002 auf ihr Nießbrauchsrecht. Der Kläger übernahm die aktive Betriebsführung und erstellte zum 01.01.2003 eine Eröffnungsbilanz für (nunmehr) seinen Gewerbebetrieb und aktivierte die Buchwerte des Einzelunternehmens wie sie zuvor in der Bilanz der M ausgewiesen waren.


Im Rahmen einer Betriebsprüfung über die Jahre 2004-2008 wollte das Finanzamt eine erfolgswirksame Zuschreibung (Wertaufholung) auf den Wert der mitübertragenen Forderungen gegen die GmbH vornehmen, da sich deren wirtschaftliche Lage zwischenzeitlich verbessert hatte. Streitig war nun, inwieweit eine solche Zuschreibung bei K überhaupt möglich ist.


Und hier die wahrlich nicht trivialen Überlegungen des BFH

Um die Streitfrage zu beantworten, stellte der BFH zunächst die (steuerliche) Historie des übertragenen Gewerbebetriebs und die (nicht) gezogenen bilanziellen Konsequenzen auf den Prüfstand – mit folgenden Ergebnissen:


Infolge des Übergabevertrags aus 1995 blieb M weder zivilrechtliche noch wirtschaftliche Eigentümerin des übertragenen Vermögens. Auch die Forderungen gegenüber der GmbH sind auf K übergegangen. Hieran änderte auch der Vorbehaltsnießbrauch nichts.


Das zum 31.12.1995 bestehende Betriebsvermögen der M wurde in das (steuerliche) Privatvermögen des K übertragen, da zu diesem Zeitpunkt keine unentgeltliche „Betriebsübertragung im Ganzen“ stattgefunden hatte; die unveränderte Bilanzierung des übertragenen Vermögens bei M war somit unzutreffend.


Eine zur Buchwertfortführung beim Übergeber erforderliche „Betriebsübertragung im Ganzen“ i. S. d. § 6 Abs. 3 EStG schied in der vorliegenden Konstellation aus, denn eine solche Betriebsübertragung setzt gegenstandsbezogene und tätigkeitsbezogene Merkmale voraus:

  • Gegenstandsbezogen bedeutet in diesem Kontext, dass
  • das (wirtschaftliche) Eigentum an den wesentlichen Betriebsgrundlagen des übertragenen Betriebs
  • in einem einheitlichen Vorgang
  • unter Aufrechterhaltung des geschäftlichen Organismus auf den Erwerber/Übernehmer übertragen werden muss.
  • Tätigkeitsbezogen ist bei gewerblicher Tätigkeit des Übergebers zusätzlich erforderlich, dass dieser die im Rahmen des übertragenen Betriebs ausgeübte gewerbliche Tätigkeit aufgibt/einstellt. Nur so ist sichergestellt, dass nicht nur einzelne Wirtschaftsgüter übertragen werden. Die Tätigkeit des jeweiligen Betriebsinhabers für den Betrieb ist untrennbar mit der betrieblichen Einheit verbunden. Eine Einstellung der Tätigkeit durch den Übertragenden muss zudem „gleichzeitig“ (d. h. zumindest innerhalb eines engen Zeitraums) – nicht bloß gestaffelt – erfolgen.


Fallen demgegenüber – wie im vorliegenden Fall – die Zurechnung der wesentlichen Betriebsgrundlagen einerseits und die Ausübung der gewerblichen Tätigkeit andererseits auseinander, erlangt der Übernehmer der übertragenen Vermögenswerte (K) nicht die bisherige wirtschaftliche Einheit, deren Erhalt eine Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG ermöglichen soll.


Für das durch Übergabevertrag aus dem Jahr 1995 übertragene Vermögen bedeutet dies, dass es zum damaligen Zeitpunkt bei K nicht Betriebsvermögen wurde bzw. bleiben konnte. Stattdessen liegt bei K steuerliches Privatvermögen vor, was denklogisch voraussetzt, dass infolge des 1995 geschlossenen Übertragungsvertrags bei der übertragenden M eine Entnahme aus ihrem Betriebsvermögen vorausgegangen sein musste. Diese Entnahme führt grds. zur Besteuerung der bei M entstandenen stillen Reserven (wenngleich dies im aktuellen Verfahren nicht streitgegenständlich war).


Erst der spätere unentgeltliche Verzicht der M auf ihr vorbehaltenes Nießbrauchsrecht, verbunden mit der Einstellung der Tätigkeit durch M Ende 2002 und die anschließende Aufnahme der Tätigkeit durch K Anfang 2003, führten zu einer Betriebsübertragung i. S. d. § 6 Abs. 3 EStG, die eine Buchwertfortführung ermöglicht. Dieser Betriebsübergang erstreckt sich jedoch nicht auf die bereits zuvor (in 1995) übertragenen Vermögenswerte.


Die zwischenzeitlich (1996 - 2002) im steuerlichen Privatvermögen des K zu erfassenden Vermögenswerte, an denen M ein Nießbrauchsrecht innehatte, werden infolgedessen jedoch (wieder) zu „notwendigem Betriebsvermögen“ beim ab 2003 fortgeführten Gewerbebetrieb des K. Bei K kam es daher zu einer „Einlage“ der Vermögenswerte in sein gewerbliches Einzelunternehmen.


Diese Einlage erfolgt hinsichtlich der streitgegenständlichen zwischenzeitlich wertgeminderten Forderungen zwingend mit deren (zu diesem Zeitpunkt noch immer geminderten) Teilwerten. Eine von der Finanzverwaltung im Rahmen der Betriebsprüfung begehrte spätere Wertaufholung über diesen (Einlage-)Wert hinaus ist – mangels höherer Anschaffungskosten bei K – jedoch ausgeschlossen. Für den Kläger hatte das Verfahren somit einen erfreulichen Ausgang. Ob die vorhergehende Übertragung von M auf K – aufgrund der weitgehenden Überlegungen des BFH – noch negative Folgen hat, ist mangels Streitrelevanz nicht erkennbar.

Praxishinweis

Die Übertragung von Vermögenswerten unter Nießbrauchsvorbehalt ist in der Nachfolgepraxis ein beliebtes Gestaltungsmittel. Ziele sind hierbei sowohl die künftige Versorgung des Übertragenden einerseits als auch die Minderung etwaiger Schenkungsteuer andererseits. Je nach Art des unter Nießbrauchsvorbehalt übertragenen Vermögens sollten jedoch die Steuerfolgen vorab differenziert untersucht werden, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden. Wie die jüngere BFH-Rechtsprechung zeigt, ist bei Übertragung so genannter „betriebsfunktionaler Einheiten“ wie Betrieben von Einzelunternehmen oder (Teil-)Mitunternehmeranteilen besondere Vorsicht geboten.

Tobias Steigenberger

Steuerberater

E-Mail:
tobias.steigenberger@falk-co.de


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