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Verfassungswidrigkeit der Abzinsung von Pensionsrückstellungen: Vorlage durch das BVerfG abgelehnt!

Das Bundesverfassungsgericht hat in dem lange erwarteten Verfahren zur steuerrechtlichen Abzinsung von Pensionsrückstellungen mit einem Zinssatz von 6 % überraschenderweise entschieden, dass die entsprechende Vorlage des Finanzgerichts Köln unzulässig war – eine sehr schlechte Nachricht für viele deutsche Unternehmen!

Abzinsung von Pensionsrückstellungen

Pensionsrückstellungen sind in der Handels- und Steuerbilanz für die durch das Unternehmen gegenüber den Mitarbeitern zugesagten Pensionszahlungen zu bilden. Da die Auszahlungen erst in künftigen Jahren zu leisten sind, sind sie nicht mit dem Nominalwert, sondern mit ihrem (abgezinsten) Barwert anzusetzen. Für die Berechnung des Barwertes gelten in Handels- und Steuerbilanz sehr unterschiedliche Regelungen. Während in der Handelsbilanz ein aus den vergangenen Jahren ermittelter tatsächlicher Durchschnittszins anzuwenden ist, bestimmt das Steuerrecht einen seit Jahrzehnten unveränderten starren Zinssatz i. H. v. 6 %.


Dieser derzeit geltende steuerliche Zinssatz i. H. v. 6 % wurde im Jahr 1981 (!) festgelegt, als der tatsächliche Marktzins ca. 10 % betrug. Zwischenzeitlich sind die tatsächlichen Zinssätze bekanntlich deutlich niedriger, wenn auch mittlerweile eine Zinsumkehr eingetreten ist. Im Jahr 2015, auf das sich der Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Köln bezieht, lag der relevante handelsrechtliche Zins bei 3,89 %; zwischenzeitlich ist der Zins für die Handelsbilanz auf 1,78 % (31.12.2022) zurückgegangen. Nach einer vereinfachten Faustformel führt ein Unterschied von einem Prozentpunkt im Rechnungszins zu einer Rückstellungsabweichung von rd. 20 %; eine beachtliche Auswirkung, d. h. eine zu geringe Bewertung von Pensionsrückstellungen in der Steuerbilanz.


Die Entscheidung des BVerfG

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Beschluss vom 28.07.2023 – 2 BvL 22/17 die Zurückweisung des Vorlagebeschlusses des Finanzgerichts Köln sehr formell begründet und sich mit inhaltlichen Fragen zur Beurteilung der Angemessenheit des Zinssatzes praktisch nicht auseinandergesetzt. Demnach war die Vorlage zu verwerfen, weil sie nicht den Anforderungen an die Darlegung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG (allgemeiner Gleichheitsgrundsatz) genügt.


Das FG Köln hat ausgeführt, die Anwendung eines Zinssatzes i. H. v. 6 % entspreche nicht dem allgemein gültigen Realisationsprinzip und es erschließe sich nicht ohne Weiteres, warum Unternehmen, die Pensionsrückstellungen bilden, nicht mit all jenen Unternehmen vergleichbar sein sollten, die sich an das Realisationsprinzip halten müssten. Zum anderen komme es zu einer Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem durch die Typisierung des Zinsvorteils aus einer späteren Steuerzahlung mit 6 %, obwohl marktübliche Zinserträge nicht typisiert werden.


Das BVerfG ist der Auffassung, hinsichtlich der Ausführungen zum Realisationsprinzip mangele es an der Beachtung bisher ergangener Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit von Rückstellungen. Des Weiteren sehen die beschließenden Richter nicht, dass es „zu einer Ungleichbehandlung im Hinblick auf das im gesamten übrigen Bilanzsteuerrecht geltende Realisationsprinzip“ komme. Auch bei den Ausführungen zur Typisierung von Zinssätzen mangele es an einer ausreichenden Darlegung des Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG; insbesondere der Vorwurf der Willkür des Rechnungszinsfußes werde damit begründet, dass sich kein einleuchtender Grund für den Zinsfuß finde. Auch über das Argument hinaus, dass der Zins eine reelle Marktgröße abbilden müsse, reicht die Argumentation des FG Köln nicht aus, um die Richter von der Zulässigkeit der Vorlage zu überzeugen.


Bewertung des BVerfG-Beschlusses

Es ist äußerst bedauerlich, dass sich die von der deutschen Wirtschaft lange erwartete Entscheidung zu dieser materiell sehr bedeutenden Bilanzierungsfrage letztlich aus überwiegend formellen Überlegungen ergibt – und das nach einer Bedenkzeit von rd. 6 (!) Jahren – so lange war das Verfahren beim BVerfG anhängig. Die Zurückweisung basiert im Wesentlichen auf einer offenbar formell ungeschickten, nicht ausreichend inhaltlich begründeten Formulierung des Vorlagebeschlusses durch das FG Köln. Für die betroffenen Unternehmen, insbesondere mit großen Pensionsverpflichtungen, ist dies zweifellos eine große Enttäuschung. Dies gilt umso mehr, als das BVerfG ja gerade erst im Jahr 2021 entschieden hat, dass die Regelung zur Verzinsung von Steuernachzahlungen und -erstattungen mit ebenfalls 6 % für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2014 verfassungswidrig ist. Nach Auffassung des BVerfG hat diese Entscheidung aus dem Jahr 2021 allerdings keine Bedeutung für die nun erfolgte Zurückweisung hinsichtlich der Pensionsrückstellungen.


Auch ist derzeit nicht erkennbar, dass ein anderes Verfahren so fortgeschritten wäre, dass alsbald eine nochmalige Behandlung der Thematik durch das BVerfG in Sicht wäre. Da auch seitens der Politik bzw. des Gesetzgebers in Anbetracht der angespannten Haushaltslage keinerlei Initiativen zur Senkung des steuerlichen relevanten Zinssatzes zu erwarten sind, besteht derzeit leider wenig Hoffnung.

Klaus Heininger

Wirtschaftsprüfer Steuerberater

E-Mail:
klaus.heininger@falk-co.de


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