Berlin – Neue Bundesregierung, neue Gesetzgebungsverfahren
Regierungsentwürfe für das Steuerentlastungsgesetz 2022, das vierte Corona-Steuerhilfegesetz sowie das „Zinsanpassungsgesetz“ veröffentlicht
Nach Amtsantritt der neuen Bundesregierung im Dezember 2021 hat diese nun mit Blick auf das aktuelle Krisengeschehen die ersten steuerlichen Gesetzgebungsverfahren auf den Weg gebracht. Im Rahmen des Steuerentlastungsgesetzes 2022 sollen die Steuerpflichtigen durch die Anhebung von Frei- und Pauschbeträgen entlastet werden. Der Entwurf für das vierte Corona-Steuerhilfegesetz sieht unter anderem eine weitere Verbesserung der Verlustverrechnungsmöglichkeiten sowie eine Verlängerung der Steuererklärungsfristen vor. Auch außerhalb der aktuellen Krisen wird der Gesetzgeber tätig. Als Reaktion auf die Feststellung der Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht soll der Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen durch das „Zinsanpassungsgesetz“ rückwirkend angepasst werden.
Steuerentlastungsgesetz 2022
Das Bundeskabinett hat am 16.03.2022 einen Entwurf für ein Steuerentlastungsgesetz 2022 beschlossen. Um der Belastung der Steuerpflichtigen durch steigende Energiepreise entgegenzuwirken, sollen rückwirkend zum 01.01.2022 der Grundfreibetrag von 9.984 EUR auf 10.347 EUR und der Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 1.000 EUR auf 1.200 EUR angehoben werden. In der Folge ist der bereits vorgenommene Lohnsteuerabzug für die ersten Monate des Jahres 2022 zu korrigieren. Daneben sieht der Entwurf auch die Anhebung der Pendlerpauschale ab dem 21. Entfernungskilometer auf 0,38 EUR/km bereits ab dem VZ 2022 vor. Bisher war diese Erhöhung erst ab dem VZ 2024 geplant. Bundestag und Bundesrat werden das Gesetz dem Vernehmen nach am 13./15.05.2022 verabschieden.
Praxishinweis
Neben dem Steuerentlastungsgesetz hat der Koalitionsausschuss am 23.03.2022 ein weiteres Maßnahmenpaket zum Umgang mit den hohen Energiekosten beschlossen. Zentrale Maßnahme ist die sog. Energiepreispauschale in Höhe von 300 EUR, die allen einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen einmalig ausgezahlt werden soll, und zwar Arbeitnehmern (Steuerklassen 1-5) als Zuschuss zum Gehalt durch den Arbeitgeber und Selbständigen durch Verrechnung mit den Einkommensteuer-Vorauszahlungen. Details werden erst im laufenden Gesetzgebungsverfahren festgelegt.
Viertes Corona-Steuerhilfegesetz
Der am 16.02.2022 veröffentlichte Regierungsentwurf für das vierte Corona-Steuerhilfegesetz enthält eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen zur Abmilderung der Folgen der Coronapandemie. So wird die betragsmäßige Begrenzung des Verlustrücktrags – wie schon für 2020 und 2021 – auch für die VZ 2022 und 2023 auf 10 Mio. EUR für Einzelveranlagte bzw. 20 Mio. EUR für Zusammenveranlagte erhöht. Die vielfach geforderte Verlängerung des Verlustrücktragzeitraums auf zwei Jahre soll ab dem VZ 2022 dauerhaft umgesetzt werden. Allerdings kann der Verlustrücktrag zukünftig nicht mehr auf einen bestimmten Betrag begrenzt werden.
Weiterhin wird erneut auf die durch die Coronapandemie erhöhte Arbeitsbelastung der steuerberatenden Berufe reagiert. Für den VZ 2020 ist – über die bereits erfolgte Verlängerung von 3 Monaten hinaus – eine Verlängerung der Abgabefrist für beratene Steuerpflichtige bis zum 31.08.2022 vorgesehen. Für die VZ 2021 und 2022 soll ebenfalls eine Verlängerung der Abgabefrist um vier bzw. zwei Monate erfolgen.
Praxishinweis
Neben den genannten Änderungen enthält der Gesetzesentwurf weitere Maßnahmen. Zu nennen sind beispielsweise die Verlängerung der Homeoffice-Pauschale bis zum 31.12.2022 oder die Ausweitung der Anwendbarkeit der degressiven Abschreibung auf bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Jahr 2022 angeschafft oder hergestellt wurden. Da die Zustimmung durch Bundestag und Bundesrat noch aussteht, kann der Maßnahmenkatalog noch gekürzt oder ergänzt werden.
„Zinsanpassungsgesetz“
Das zweite Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung stellt eine Reaktion auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dar. Mit Beschluss vom 08.07.2021 hatte das Gericht festgestellt, dass der bisherige Zinssatz für die Verzinsung von Steuernachzahlungen und -erstattungen i. H. v. 6 % p. a. seit dem Jahr 2014 verfassungswidrig sei. Der Gesetzgeber wurde dazu verpflichtet, den Zinssatz rückwirkend anzupassen – bedauerlicherweise aber nur für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2019. Am 30.03.2022 wurde zu diesem Zweck der Regierungsentwurf für ein „Zinsanpassungsgesetz“ verabschiedet. Demnach soll der Zinssatz für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2019 auf 0,15 % pro Monat bzw. 1,8 % p. a. gesenkt werden und künftig alle drei Jahre eine Angemessenheitsüberprüfung durchlaufen. Dies betrifft jedoch ausschließlich die Erstattungs- und Nachzahlungszinsen. Für andere Verzinsungstatbestände soll es hingegen bei dem bisherigen Zinssatz bleiben. Bei der durch die Zinsanpassung verursachten Neuberechnung der bereits festgesetzten Zinsen darf es auf Grund des Vertrauensschutzes nicht zu einer Schlechterstellung des Steuerpflichtigen kommen. Bundestag und Bundesrat müssen bis zum Juli 2022 zustimmen, um die vom BVerfG gesetzte Umsetzungsfrist einzuhalten.
Fazit
Die zwingende Neuregelung des Zinssatzes in der Abgabenordnung ist kritisch zu sehen, da sie verschiedene Verzinsungstatbestände außer Acht lässt. Insbesondere für Stundungs- und Aussetzungszinsen soll es bei dem hohen Zinssatz von 6 % p. a. bleiben, d. h., entsprechende Anträge bedürfen weiterhin einer genauen Analyse im Vorfeld. Es darf mit Spannung erwartet werden, ob dies sich im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch ändert.
