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Cherry Picking in abkommensrechtlichen Dreieckskonstellationen

BFH schafft Klarheit bei widersprüchlichen DBAs in Dreieckskonstellationen

Infolge der internationalen Arbeitsteilung und der damit einhergehenden Mobilität der Arbeitskräfte treten zunehmend auch sog. Dreieckskonstellationen auf, in denen sich der Hauptwohnsitz, der Arbeitsort und der ggf. notwendige Zweitwohnsitz in der Nähe des Arbeitsorts in drei verschiedenen Staaten befinden. Während bei bilateralen grenzüberschreitenden Vorgängen das Besteuerungsrecht für die erzielten Einkünfte anhand des einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) zumeist noch relativ einfach zugeordnet werden kann, kann es in Dreieckskonstellationen zu bislang kaum lösbaren Problemen kommen in Anbetracht des Nebeneinanders mehrerer DBAs. Mit seiner aktuellen Entscheidung vom 01.06.2022 – I R 30/18 zeigt der Bundesfinanzhof für solche Konstellationen steuerzahlerfreundliche Lösungsansätze auf.

Der strittige Sachverhalt

Konkret handelte es sich bei dem Kläger um einen Arbeitnehmer mit Wohnsitz in Deutschland, wo sich auch der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen befand. Er war seit vielen Jahren als Altenpfleger in der Schweiz angestellt und bezog zur Ausübung dieser Tätigkeit eine Zweitwohnung in unmittelbarer Nähe zur Arbeitsstätte, allerdings jenseits der Grenze in Frankreich. Streitig war die Besteuerung des in der Schweiz erwirtschafteten Arbeitslohns im Ansässigkeitsstaat Deutschland.



Dabei ergibt sich folgendes Problem: Nach dem DBA zwischen Deutschland und der Schweiz steht das Besteuerungsrecht an den nichtselbständigen Einkünften der Schweiz als Quellenstaat zu. Allerdings besteht auch zwischen der Schweiz und Frankreich ein DBA, in dem die sog. „Grenzpendlerregelung“ Frankreich das Besteuerungsrecht einräumt; hiervon hatte Frankreich auch Gebrauch gemacht, während die Schweiz angabegemäß auf eine Besteuerung verzichtet hatte. Infolge der (Haupt-)Ansässigkeit des Klägers in Deutschland konnte allerdings auch das Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland nicht unbeachtet bleiben: Im DBA zwischen Frankreich und Deutschland ist geregelt, dass Einkünfte aus Drittstaaten (hier: Schweiz) im Ansässigkeitsstaat Deutschland besteuert werden können. Diese Möglichkeit wollte sich das deutsche (Wohnsitz-)Finanzamt nicht entgehen lassen und unterwarf die in der Schweiz erzielten Einkünfte des Arbeitnehmers der inländischen (deutschen) Besteuerung. Folge war eine äußerst ärgerliche Doppelbesteuerung des erzielten Gehalts, nämlich zum einen in Frankreich (nach der Grenzgängerregelung des DBA FR/CH) und zum anderen in Deutschland – ein äußerst unbefriedigendes Ergebnis!

Also erhob der Kläger zunächst – allerdings erfolglos – Einspruch beim Finanzamt und deshalb Klage beim FG Münster.

Enscheidung des FG Münster

Das FG Münster entschied zu Gunsten des Klägers. Für Drittstaateneinkünfte komme das Besteuerungsrecht zwar grundsätzlich dem Ansässigkeitsstaat Deutschland zu; aufgrund der Dreieckskonstellation müsse allerdings auch Rücksicht auf das DBA zwischen Deutschland und der Schweiz genommen werden. Die Einkünfte seien demnach in Deutschland zu befreien und unterlägen lediglich dem Progressionsvorbehalt.

Erwartungsgemäß wollte sich das Finanzamt mit diesem ‚Entzug‘ des deutschen Besteuerungsrechts nicht anfreunden und wendete sich an den BFH in München.


Entscheidung des BFH

Der BFH schloss sich jedoch erfreulicherweise der Auffassung des FG Münster an. Aus Sicht des betroffenen Arbeitnehmers reiche es aus, wenn er nach einem der von Deutschland abgeschlossenen DBAs die Voraussetzungen der Freistellung der Einkünfte von der inländischen Besteuerung erfüllt – auch durch die abweichende Zuweisung des Besteuerungsrechts in einem anderen, konkurrierenden Abkommen können diese Freistellung nicht ‚ausgehebelt‘ werden.

Fazit

Das Urteil des BFH schafft Klarheit, was die Besteuerungsrechte bei Sachverhalten mit mehr als zwei beteiligten Ländern und widersprüchlichen DBAs betrifft. Steuerpflichtige können sich in solchen Fällen grundsätzlich auf jede Begünstigung berufen, die ihnen eines der abgeschlossenen Abkommen gewährt. Das Urteil ist daher aus Sicht des Steuerpflichtigen zu begrüßen. Abzuwarten bleibt allerdings, ob sich die Finanzverwaltung als fairer Verlierer präsentiert und das Urteil im Bundessteuerblatt veröffentlicht.

Robert J. Wiemeyer

Steuerberater

E-Mail:
robert.wiemeyer@falk-co.de


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