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Ein schwieriges Bilanzjahr steht bevor

Nachdem Corona die Unternehmen 2020 und 2021 teilweise schon erheblich beeinflusst hat, kommen im Bilanzjahr 2022 noch die vielfältigen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs hinzu. Der dadurch ausgelöste Energieschock und die hohe Inflation sowie darüber hinaus das geringere Wirtschaftswachstum in den USA und China wirken sich auch auf Deutschland aus. Nach Einschätzung nahezu aller Wirtschaftsforschungsinstitute ist bzw. befindet sich die deutsche Wirtschaft auf dem Weg in die Rezession.


Hintergrund

Während die Unternehmen noch mit den Auswirkungen der Coronapandemie beschäftigt waren, führte der Angriff Russlands auf die Ukraine zu weiteren wirtschaftlichen Belastungen. Das Bruttoinlandsprodukt 2021 lag – trotz der Erholung gegenüber 2020 – weiterhin unter dem Vorkrisenniveau in 2019. Durch den Krieg haben sich die Probleme in den Lieferketten weiter verschärft. Hinzu kommen Belastungen durch gestiegene Kosten für Vorleistungen sowie insbesondere für Rohstoffe und Energie. In Verbindung mit dem geringeren Wirtschaftswachstum in China und der schrumpfenden Wirtschaftsleistung in den USA wird für 2023 ein Rückgang der Wirtschaftsleistung bei weiterhin hohen Inflationsraten erwartet.


Herausforderungen für Unternehmen

Die Strom- und Gaskosten sind seit Anfang des Jahres in einem noch nie dagewesenen Ausmaß gestiegen. Der Gaspreis für Industriekunden ist um mehr als 250 % gestiegen; Strom verteuerte sich um mehr als 150 %. Dieser Preisanstieg führt zur Verknappung bei energieintensiven Rohstoffen (z. B. Ammoniak) bzw. zu erheblichen Preissteigerungen bei nahezu allen Gütern.

Fehlen die Vorprodukte, so wirkt sich das auf die gesamte Produktionskette aus; weniger Ammoniak bedeutet weniger Dünger und in der Folge fehlt den Getränkeherstellern dann Kohlensäure.

Die steigenden Rohstoffpreise und die damit einhergehenden steigenden Produktionskosten werden von den Produzenten so weit als möglich an die Kunden weitergegeben; z. B. stiegen die Preise für Papier und Pappe im August um mehr als 25 % gegenüber dem Vorjahr.


Hinzu kommen die Störungen der Lieferketten aufgrund der chinesischen Null-Covid-Politik und der daraus resultierenden Schließung wichtiger Häfen. Zudem fehlen kriegsbedingt LKW-Fahrer, so dass es auch im europäischen Güterverkehr zu erheblichen Logistikstörungen kommt.


Als Reaktion auf die hohen Inflationsraten – für Deutschland liegt diese seit Beginn des Ukraine-Kriegs regelmäßig über 7 % – hat die EZB die Zinsen zuletzt deutlich erhöht. Damit steigen die Kosten für Unternehmenskredite. Auch die Kosten für bereits abgeschlossene variabel verzinsliche Kredite steigen, wenn nicht frühzeitig entsprechende Sicherungsgeschäfte abgeschlossen wurden.


Und nicht zuletzt verlangen die Mitarbeiter einen Ausgleich für die überall steigenden Preise und der Unternehmer sieht sich mit steigenden Lohnforderungen konfrontiert.


Notwendigkeit außerplanmäßiger Abschreibungen?

Die Notwendigkeit einer außerplanmäßigen Abschreibung kann sich im Sachanlagevermögen aus einer voraussichtlich dauerhaften Nutzungseinschränkung oder einer voraussichtlich dauerhaften Stilllegung einer Anlage ergeben. Eine aus Störungen der Lieferkette resultierende nur vorübergehende Stilllegung oder Einschränkung der Nutzung führt nicht zur außerplanmäßigen Abschreibung einer Anlage.


Eine voraussichtlich dauerhafte Wertminderung für Finanzanlagen liegt (entsprechend den allgemein beachteten Vorgaben des IDW) vor, wenn der Zeitwert (Schlusskurs) in den letzten 6 Monaten vor dem Abschlussstichtag dauerhaft um mehr als 20 % unter dem Buchwert lag oder über einen Zeitraum von mehr als 12 Monaten unter dem letzten Buchwert lag und der Durchschnitt der täglichen Börsenschlusskurse in den letzten 12 Monaten um mehr als 10 % unter dem Buchwert lag. Auch bei nicht börsennotierten Beteiligungen kann sich erhebliches Abwertungpotenzial ergeben, wenn sich Ertragsaussichten aufgrund der beschriebenen Entwicklungen verschlechtern oder auch erhöhte Unsicherheiten für künftige Entwicklungen gegeben sind.


Passivierung einer Drohverlustrückstellung?

Für drohende Verluste aus schwebenden Beschaffungs- oder Absatzgeschäften sind Rückstellungen zu passivieren. In der aktuellen Situation gilt das insbesondere für Preissteigerungen, die aufgrund der bereits geschlossenen Verträge nicht an den Auftraggeber weitergegeben werden können.


Bei Vermögensgegenständen, die unmittelbar Gegenstand eines schwebenden Absatzgeschäfts sind, hat nach dem strengen Niederstwertprinzip zunächst eine Abschreibung auf den beizulegenden Zeitwert zu erfolgen, nur für einen darüberhinausgehenden Verlustanteil ist eine Drohverlustrückstellung zu bilden. Anders verhält es sich mit Vermögensgegenständen, die z. B. vermietet werden und damit nur mittelbar Gegenstand eines schwebenden Absatzgeschäfts sind. Die Mietsache wird beim Vermieter typischerweise im Anlagevermögen ausgewiesen. Damit besteht nur bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung des Vermögensgegenstands die Pflicht zur außerplanmäßigen Abschreibung, bei einer vorübergehenden Wertminderung ist daher keine außerplanmäßige Abschreibung erforderlich, vielmehr ist der drohende Verlust aus dem Mietverhältnis in voller Höhe zu passivieren.

Drohverlustrückstellungen sind mit dem nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrag, d. h. unter Berücksichtigung der zu erwartenden Preis- und Kostensteigerungen zu bilanzieren.


Auswirkungen auf die Abschlussprüfung

Die schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen führen auch dazu, dass der Abschlussprüfer sein Verständnis der Liefer- und Leistungsbeziehungen des Unternehmens hinterfragen muss, insbesondere auch hinsichtlich Liefer- und Leistungsbeziehungen mit in Russland ansässigen Partnern.


Zuletzt haben einige bekannte Unternehmen Insolvenz anmelden müssen und die Wirtschaftsforscher rechnen insgesamt mit einem Anstieg der Insolvenzen. Für die Unternehmen und letztlich den Abschlussprüfer stellt sich damit in deutlich mehr Fällen die Frage nach der Fortführung der Unternehmenstätigkeit. In dem Zusammenhang kommt sowohl der Plausibilisierung der Zahlungsfähigkeit als auch der sachgerechten Darstellung bestandsgefährdender Risiken im Anhang und Lagebericht eine besondere Bedeutung zu.

Praxishinweis

Ein pauschaler Hinweis auf bestandsgefährdende Risiken aufgrund des weiteren Verlauf des Ukraine-Kriegs und dessen Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit ist in der Regel nicht ausreichend. 

Cornelia Linde

Wirtschaftsprüferin Steuerberaterin

E-Mail:
cornelia.linde@falk-co.de


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