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Was bleibt von der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung?

Der BFH hat sich jüngst in mehreren Entscheidungen einschränkend zu dem Umfang der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung geäußert. Die Finanzverwaltung hat nun reagiert und wendet die Grundsätze in allen offen Fällen an. Für viele Unternehmen können sich hierdurch erhebliche Minderungen bei der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung ergeben. Ob sich die Finanzverwaltung der Tragweite der Entscheidung bewusst war, bleibt abzuwarten.

Hintergrund

Die Gewerbesteuer ist seit jeher heftig umstritten. Insbesondere der Umfang der Hinzurechnung von Aufwendungen ist regelmäßiger Streitpunkt in Betriebsprüfungen und Gegenstand finanzgerichtlicher Entscheidungen. In den letzten Jahren sind hierzu mehrere steuerzahlerfreundliche Urteile ergangen, die die Finanzverwaltung nun mit Datum vom 06.04.2022 in die gleich lautenden Erlasse aufgenommen hat. Worum geht es im Einzelnen?


Miet- und Pachtaufwendungen nur für (fiktives) Anlagevermögen

Miet- und Pachtaufwendungen sind dem Gewinn aus Gewerbebetrieb nur dann hinzuzurechnen, wenn diese für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens aufgewendet werden. Während die Finanzverwaltung regelmäßig dazu neigt, einen Großteil der Miet- und Pachtaufwendungen hinzurechnen zu wollen, hat der BFH nun klargestellt, dass eine Hinzurechnung nur dann in Betracht kommt, wenn das angemietete Wirtschaftsgut zum (fiktiven) Anlagevermögen gehört. Dies ist anhand des Geschäftsmodells des Unternehmens zu beurteilen. Eine Hinzurechnung scheidet danach aus, wenn das Unternehmen die angemieteten Wirtschaftsgüter nicht ständig für seine Geschäftstätigkeit benötigt, sondern nur unregelmäßig oder im Zusammenhang mit einem konkreten Produkt/Projekt nutzt. Die Miete von Messeständen zählt daher in vielen Fällen nicht zu den hinzuzurechnenden Mietaufwendungen, da die meisten Unternehmen nicht ständig auf das Vorhalten von Messeständen angewiesen sind. Ebenso unterbleibt z.B. eine Hinzurechnung von Mietaufwendungen eines Pauschalreiseveranstalters für angemietete Hotelzimmer, da diese in das Produkt Pauschalreise einfließen und sich mit dessen Durchführung verbrauchen. Insoweit unterscheidet sich der Pauschalreiseveranstalter vom Hotelier, der das angemietete Hotelgebäude dauerhaft zur Herstellung neuer Produkte (Übernachtung, Verpflegung) nutzt. Diese Grundsätze dürften auch auf zahlreiche andere Geschäftsmodelle übertragbar sein.


Umqualifizierung von Aufwendungen in Herstellungskosten

Wesentlich weitreichender als die einschränkende Auslegung des Begriffs des (fiktiven) Anlagevermögens dürfte die Entscheidung des BFH zum Ausschluss der Hinzurechnung von solchen Aufwendungen sein, die als Herstellungskosten anzusehen sind. Aufwendungen sind dem Gewinn nämlich nur dann hinzuzurechnen, wenn sie diesen auch gemindert haben. Sind die Aufwendungen als Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlage- oder Umlaufvermögens zum Bilanzstichtag aktiviert worden, scheidet eine Hinzurechnung aus. Von besonderer Relevanz ist hierbei die Aktivierung von (un-)fertigen Leistungen, in deren Bewertung auch die Kosten für die Anmietung des benötigten Equipments oder der genutzten Betriebsgebäude eingehen.

An dieser Qualifikation ändert sich auch nichts, wenn das Wirtschaftsgut in Folgeperioden abgeschrieben wird oder aus dem Unternehmen ausscheidet und die Aufwendungen dann den Gewinn mindern. Nach Ansicht des BFH ändern die Aufwendungen gänzlich ihren ursprünglichen Charakter und sind nunmehr als Herstellungskosten anzusehen. Der BFH legt diese Sichtweise nun so weit aus, dass eine Umqualifizierung der Aufwendungen in Herstellungskosten selbst dann anzunehmen ist, wenn die Wirtschaftsgüter bereits unterjährig aus dem Betrieb wieder ausgeschieden sind. Entscheidend ist allein, ob die Aufwendungen als Herstellungskosten zu aktivieren gewesen wären, wenn sie sich am Bilanzstichtag im Unternehmen befunden hätten.

Praxishinweis

Auch wenn der BFH den handelsrechtlichen Herstellungskostenbegriff bemüht, sind dennoch steuerliche Aktivierungsverbote zu beachten. Aufwendungen für die Herstellung selbst erstellter immaterieller Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sind daher weiterhin hinzuzurechnen.

Folgen für die Praxis

Folgt man der Argumentation des BFH, dürfte sich der Umfang der Hinzurechnung für eine Vielzahl von Unternehmen deutlich reduzieren, da eine Hinzurechnung immer dann ausscheidet, wenn die Aufwendungen grundsätzlich als Herstellungskosten anzusehen sind. Betroffen sein können hiervon nicht nur Bauunternehmen und Herstellungsbetriebe, sondern auch Dienstleistungsbetriebe wie z.B. Beratungsunternehmen oder auch Hotelbetreiber, da auch bei ihnen Herstellungskosten für unfertige Leistungen vorliegen können. 

Praxishinweis

Unternehmen, die von hohen gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen betroffen sind, sollten prüfen, inwieweit sie von der neuen Rechtsprechung profitieren können und ggf. entsprechende Einsprüche einlegen. Angesichts der Vielzahl denkbarer Anwendungsfälle drohen bei einer konsequenten Umsetzung der Rechtsprechungsgrundsätze allerdings erhebliche Einnahmeausfälle bei der Gewerbesteuer. Ob sich die Finanzverwaltung bei der unkommentierten Übernahme der Urteile des BFH in die Verwaltungsanweisungen der Tragweite dieser Entscheidung bewusst gewesen ist? Es ist daher ungewiss, inwieweit die Finanzverwaltung nicht doch versuchen wird, eine derart weitgehende Einschränkung der Hinzurechnung zu verhindern. Nach unserer Wahrnehmung wird die Thematik, soweit sie von Mandanten- bzw. Beraterseite in laufenden Betriebsprüfungen angesprochen wird, jedenfalls sehr zurückhaltend aufgenommen.

Dr. Jan Voßmerbäumer

Steuerberater

E-Mail:
jan.vossmerbaeumer@falk-co.de


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