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Internationales Steuerrecht: BFH meldet erhebliche Zweifel an der Niedrigsteuerschwelle (25 %) der Hinzurechnungsbesteuerung an

Der Gesetzgeber reagiert (voraussichtlich) im Rahmen der Einführung der Mindeststeuer

Der BFH hat in seinem Beschluss vom 13.09.2023 – I B 11/22 (AdV) die seit langem in der Fachliteratur diskutierten verfassungs- und europarechtlichen Zweifel an der Niedrigsteuerschwelle der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung i. H. v. 25 % bestätigt. Dies muss nicht verwundern, als diese Grenze über der niedrigstmöglichen inländischen Gesamtsteuerbelastung i. H. v. 22,8 % bzw. – ohne Gewerbesteuer – von 15,8 % liegt. 


Hinzurechnungsbesteuerung – Worum geht es? 

Die Hinzurechnungsbesteuerung (HZB) ist eine Missbrauchsnorm im deutschen Außensteuerrecht und soll verhindern, dass Gewinne in niedrig besteuerte Tochtergesellschaften (sog. Zwischengesellschaften) „ausgelagert“ werden. Aufgrund der Abschirmwirkung kann der deutsche Fiskus im Grundsatz nicht auf im Ausland niedrig besteuerte Gewinne selbständiger ausländischer Kapitalgesellschaften unmittelbar zugreifen, auch wenn die Gewinne aus wirtschaftlicher Sicht letztlich den in Deutschland ansässigen Anteilseignern zustehen. Um diesem unerwünschten Ergebnis zu begegnen, wurde bereits in den 1970er-Jahren die HZB eingeführt. 

Die grundlegenden Voraussetzungen für eine Anwendung der HZB sind: 

  • Beherrschung einer ausländischen Gesellschaft durch Steuerinländer (d. h. Beteiligung zu mehr als 50 % an der ausländischen Zwischengesellschaft) 
  • „Passive“ Einkünfte der ausländischen Gesellschaft, d.h., die ausländische Gesellschaft entfaltet im Grundsatz keine eigenen wirtschaftlichen Aktivitäten, sondern betreibt regelmäßig Vermögensverwaltung 
  • Niedrige Besteuerung (< 25 %) der von der ausländischen Gesellschaft erzielten „passiven“ Einkünfte 

 

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, wird – trotz Gewinnthesaurierung – eine Ausschüttung der niedrig besteuerten passiven Einkünfte der ausländischen Gesellschaft fingiert (sog. Hinzurechnungsbetrag) – dieser Betrag wird bei den inländischen Gesellschaftern der Besteuerung mit Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer sowie Gewerbesteuer unterworfen –, ohne Anwendung der im Regelfall für Ausschüttungen einschlägigen Befreiungen bzw. Begünstigungen. Einzig die im Ausland angefallenen Steuern werden auf die deutsche Steuerbelastung angerechnet (allerdings nur auf die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer). 


Worin bestehen die Zweifel des BFH? 

Der BFH hat in seinem im Rahmen eines sog. Vorverfahrens ergangenen Beschluss festgestellt, dass die Niedrigsteuerschwelle der HZB von 25 % über der niedrigstmöglichen Gesamtsteuerbelastung in Deutschland liegt. Diese errechnet sich mit 22,8 % als Summe aus Körperschaftsteuer von 15 %, den darauf entfallenden SolZ von (15 % x 5,5 % =) rd. 0,8 % sowie der niedrigstmöglichen Gewerbesteuer von 7 % (bei einem Mindesthebesatz von 200 %). Damit wären konsequenterweise Deutschland insgesamt bzw. einzelne deutsche Gemeinden als Niedrigsteuergebiete (!) anzusehen. 

Die eingangs erwähnte Motivation des Gesetzgebers, mit Hilfe der HZB Gewinnverlagerungen ins niedrig besteuerte Ausland zu vermeiden, würde somit ad absurdum geführt. Das Grundsystem der HZB sieht der BFH zwar als rechtlich unkritisch an, die gesetzlich fixierte Niedrigsteuerschwelle von 25 % für die ausländischen Einkünfte hat jedoch das Potenzial, als verfassungswidrig qualifiziert zu werden. 

 

Hierin liegt auch der Grund, weshalb die Antragsteller des betroffenen Verfahrens einen Pyrrhussieg errungen haben und von den Zweifeln des BFH nicht profitieren konnten. Denn die passiven Einkünfte ihrer in Hongkong ansässigen Tochtergesellschaft, an der die Antragsteller zu je einem Drittel beteiligt waren, unterlagen einer Nullbesteuerung. Bei dieser Ausgangslage bestand aus Sicht des BFH kein Korrekturbedarf.


Unter Umständen werden die vom BFH geäußerten Zweifel durch den Gesetzgeber kurzfristig beseitigt 

Das sog. Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz (MinStG), mit dem die globale Mindeststeuer in Deutschland implementiert werden soll, sieht eine Absenkung der Niedrigsteuerschwelle der HZB auf 15 % ab dem 01.01.2024 vor – flankierend zur Einführung des Mindeststeuersatzes von ebenfalls 15 %. Der Bundestag hat das MinStG am 10.11.2023 verabschiedet – und der reduzierte Niedrigsteuersatz ist nach wie vor in dem Gesetzeswerk. 

Die Bundesländer, die der Absenkung der Niedrigsteuerschwelle auf 15 % bisher eher kritisch gegenüberstanden, könnten nunmehr durch den Beschluss des BFH animiert werden, ihre Bedenken fallen zu lassen. Die Zustimmung des Bundesrates zu dem aktuellen Gesetzesbeschluss ist für den 15.12.2023 geplant und bleibt mit Spannung abzuwarten. 

Praxishinweis

Zu beachten ist indes, dass die vom Bundestag beschlossene Fassung weiterhin vorsieht, dass der Hinzurechnungsbetrag der Gewerbesteuer unterliegen soll, ohne dass die ausländischen Steuern der Zwischengesellschaft – im Falle eines Anrechnungsüberhangs über die beim Anteilseigner ausgelöste KSt oder ESt hinaus – auf die GewSt angerechnet werden könnten. 

Außerdem wird betroffenen Steuerpflichtigen mit der gesetzlichen Reduktion der Niedrigsteuerschwelle ab 2024 selbstverständlich nicht für vergangene Zeiträume bis einschließlich 2023 geholfen. Insoweit müsste unter Bezug auf die Erkenntnisse des BFH weiterhin der Klageweg beschritten werden. 

Dr. Lisa Maria Fell

Assistentin der Steuerberatung

E-Mail:
Lisa.Fell@falk-co.de


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