Chaos in Berlin – „Ampel-Aus“ behindert Gesetzgebungsverfahren
Jahressteuergesetz 2024 verabschiedet – andere Gesetzgebungsverfahren vor dem Aus
Die Ampel-Regierung hat in den letzten Monaten mehrere Gesetzgebungsverfahren im Bereich des Steuerrechts auf den Weg gebracht. Hierzu gehören neben dem Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024) auch das Gesetz zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024, das Steuerfortentwicklungsgesetz, das Zukunftsfinanzierungsgesetz II sowie das E-Fuels-only-Gesetz. Vor dem Abschluss dieser Gesetzgebungsverfahren wurde jedoch am 06.11.2024 das Aus der Ampel-Koalition bekannt gegeben. Neuwahlen hinsichtlich des Bundestags wurden für den 23.02.2025 angekündigt. Im Folgenden soll nun der aktuelle Stand der steuerlichen Gesetzgebungsverfahren und der CSRD-Umsetzung sowie die Auswirkungen des „Ampel-Aus“ hierauf näher beleuchtet werden.
Das JStG 2024 wurde bereits am 08.10.2024 vom Bundestag und am 22.11.2024 vom Bundesrat mit einer Vielzahl von Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Regierungsentwurf (siehe hierzu: Jahressteuergesetz 2024) verabschiedet und wird mit der in Kürze stattfindenden Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten. Während einige Regelungen, wie die Erweiterungen der Steuerbefreiung für kleinere Photovoltaikanlagen, die Erhöhung der Kleinunternehmergrenze im UStG und die Umsetzung der Rechtsprechung zur Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen Schwesterpersonengesellschaften, fast unverändert in der verabschiedeten Gesetzesfassung enthalten sind, wurde die Einführung des sog. „Mobilitätsbudgets“ ersatzlos gestrichen. Neu hinzugekommen ist insbesondere eine Ergänzung der Übergangsregelung für die Grunderwerbsteuerbefreiung von Grundstücksübertragungen unter Beteiligung von Personengesellschaften (§§ 5, 6 GrEStG). So soll laut Gesetzesentwurf für alle Grundstücksübertragungen, die bis zum 31.12.2026 verwirklicht werden, der allein durch das MoPeG bedingte Wegfall der Gesamthandseigenschaft keinen Verstoß gegen die einschlägigen Behaltensfristen darstellen. Eine weitere erwähnenswerte Ergänzung ist für den Bereich der Kapitaleinkünfte die Streichung des Verlustverrechnungstopfes für Termingeschäfte. Im Bereich des Investmentsteuerrechts ist zukünftig zu beachten, dass bei einer signifikanten Beteiligung an einem Fonds (Anschaffungskosten von mindestens 500.000 EUR) im Falle eines Wegzugs – analog wie bei Beteiligungen von mindestens 1 % an Kapitalgesellschaften – eine sog. Wegzugsbesteuerung droht. Zuletzt ist auch auf die Neuregelung der einfachen gewerbesteuerlichen Grundstückskürzung hinzuweisen, die künftig an die tatsächlich gezahlte Grundsteuer anknüpfen wird.
Praxishinweis
Da Bundestag und Bundesrat dem JStG 2024 bereits zugestimmt haben, hat das “Ampel-Aus” keine Auswirkungen auf dieses Gesetzgebungsverfahren. Etwas anderes gilt jedoch für die Gesetzgebungsverfahren, bei denen diese Zustimmung noch aussteht. Hier gilt der Grundsatz der Diskontinuität des Bundestags, gemäß dem alle bei Auflösung des Bundestags noch nicht von diesem verabschiedeten Gesetzgebungsverfahren sowie alle zu diesem Zeitpunkt beim Vermittlungsausschuss anhängige Gesetzgebungsverfahren als erledigt gelten und somit hinfällig sind. Sollten die Gesetzgebungsverfahren also nicht bis zur Auflösung des Bundestags abgeschlossen sein, droht ihnen das endgültige Aus.
„Zweites“ Jahressteuergesetz 2024
Sowohl das Gesetz zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024 als auch das Steuerfortentwicklungsgesetz sind aus dem ehemaligen Arbeitstitel „zweites Jahressteuergesetz 2024“ hervorgegangen. Bundestag und Bundesrat haben bisher nur ersterem Gesetzesentwurf, welcher die Erhöhung des Kinder- und Grundfreibetrags für das Jahr 2024 vorsieht, zugestimmt. Somit wird sich das „Ampel-Aus“ lediglich auf das Steuerfortentwicklungsgesetz auswirken. Da das Steuerfortentwicklungsgesetz einige Streitpunkte, wie z. B. die Einführung der Meldepflicht für nationale Steuergestaltungen, beinhaltet, gilt eine Mehrheit im Bundestag für den aktuellen Gesetzesentwurf als unwahrscheinlich. Es bleibt abzuwarten, ob die Themen, für die sich eine Mehrheit finden lassen würde, wie z. B. die Anpassung des Kinder- und Grundfreibetrags für die Jahre 2025 und 2026, aus dem Gesetzesentwurf herausgelöst und separat verabschiedet werden, oder ob das Gesetzesvorhaben insgesamt dem Grundsatz der Diskontinuität des Bundestags anheimfällt. In letzterem Fall müssten die Themen dann von der neuen Bundesregierung wieder aufgegriffen und in neue Gesetzgebungsverfahren übernommen werden.
Praxishinweis
Eine zum Jahreswechsel eintretende Gesetzesänderung, die vom „Ampel-Aus“ unberührt bleibt, stellt die Ersetzung der bisherigen Drei-Tages-Fiktion durch die Vier-Tages-Fiktion dar. Diese wurde im Rahmen des Postmodernisierungsgesetzes bereits am 13.06.2024 bzw. 05.07.2024 von Bundestag und Bundesrat verabschiedet. Die verfahrensrechtliche Anpassung hat zur Folge, dass nach dem 31.12.2024 erlassene Steuerbescheide vier statt bisher drei Tage nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben gelten. Dies wirkt sich insbesondere auf die Fristberechnung im Zusammenhang mit der einmonatigen Einspruchsfrist aus, da diese im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Steuerbescheids beginnt. Die Bekanntgabe ist auch künftig nicht an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen möglich.
Sonstige steuerliche Gesetzgebungsverfahren
Abschließend ist auf das Zukunftsfinanzierungsgesetz II (= insbesondere Anpassungen bei der Besteuerung von Investmentfonds) und das E-Fuels-only-Gesetz (= steuerliche Förderung von Kfz mit E-Fuels-Verbrennungsantrieb) hinzuweisen. In beiden Fällen liegen bisher nur Referentenentwürfe des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vor. Da das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren noch nicht begonnen hat und somit die Zustimmung von Bundestag sowie Bundesrat fehlt, werden die Erfolgsaussichten als eher gering eingeschätzt. Es bleibt abzuwarten, ob und wann diese Gesetzesinitiativen weiterverfolgt werden.
CSRD-Umsetzungsgesetz
Auf der Grundlage der bereits verabschiedeten EU-Richtlinie zur CSRD-Berichterstattung sollen alle kapitalmarktorientierten großen Gesellschaften bereits für das Jahr 2024 zu einer in den Lagebericht integrierten umfassenderen Berichterstattung verpflichtet werden, deren Konkretisierung sich aus speziell dazu erlassenen Rechnungslegungsstandards (ESRS) ergibt. Wir haben darüber bereits mehrfach berichtet, zuletzt in der Ausgabe 3/2024 der FALK News (Nachhaltigkeitsbericht nach CSRD). Die Berichterstattung wird erstmals auch prüfungspflichtig werden. Für nicht kapitalmarktorientierte große Gesellschaften sollen diese Pflichten erstmals für das Jahr 2025 gelten.
Die EU-Richtlinie gilt nicht unmittelbar, sondern muss durch den nationalen Gesetzgeber umgesetzt werden. Der deutsche Gesetzgeber ist hiermit bereits unabhängig vom Ampel-Aus in Rückstand, so dass von Seiten der EU bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet wurde. Sofern nicht noch bis zum Jahresende eine Umsetzung in Deutschland erfolgt, werden die neuen Regelungen, auf die sich die betroffenen Unternehmen und Abschlussprüfer umfangreich vorbereitet haben, nicht wirksam, da eine rückwirkende Anwendung über den Jahreswechsel hinaus nicht zulässig ist. Eine freiwillige vorzeitige Anwendung durch die für die Berichterstattung nach „alter” Gesetzesgrundlage verpflichteten Unternehmen dürfte zulässig sein. Eine Prüfungspflicht besteht allerdings nicht; bereits geschlossene Prüfungsaufträge sind ohne Grundlage; ggfs. könnten freiwillige Prüfungen durchgeführt werden.
Für die nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen, die erstmals für das Jahr 2025 in der Pflicht sein sollen, wird sich vermutlich nichts ändern. Da auch eine neue Bundesregierung zur ausstehenden Umsetzung der Richtlinie verpflichtet ist, wird mit großer Wahrscheinlichkeit im Jahr 2025 eine deutsche CSRD-Umsetzung mit Rückwirkung zum 1. Januar 2025 kommen.
Fazit
Das „Ampel-Aus“ hat auf die bereits vom Bundestag und Bundesrat verabschiedeten Gesetzesentwürfe für das JStG 2024 und das Gesetz zur Sicherung des Existenzminimums 2024 keine Auswirkungen. Für alle übrigen laufenden Gesetzgebungsverfahren ist völlig offen, ob sich zumindest für darin enthaltene Einzelmaßnahmen entsprechende Mehrheiten im Bundestag finden lassen. Auf der einen Seite könnten sich hierdurch sinnvolle Maßnahmen, wie die Anpassung der Grund- und Kinderfreibeträge für die Jahre 2025 und 2026, verzögern. Auf der anderen Seite könnten sich jedoch auch kritisch zu sehende Vorhaben, wie die Meldepflicht für nationale Steuergestaltungen, von allein erledigt haben. Die ausstehende CSRD-Umsetzung ist zunächst nur für große kapitalmarktorientierte Unternehmen von Bedeutung; für alle anderen betroffenen Unternehmen werden die Regelungen sehr wahrscheinlich zwar verzögert, aber mit Rückwirkung für das Jahr 2025 umgesetzt. Wir halten Sie über den weiteren Verlauf des Geschehens in Berlin auf dem Laufenden!