bg-photo

„BFH kippt Einkommensteuer für Immobilienerben“ – Was ist dran an dieser Schlagzeile?

Zwar eröffnet der BFH im Einzelfall Gestaltungsspielräume bei Erbengemeinschaften im Zusammenhang mit Grundstücksveräußerungen. Doch es gilt genau zu differenzieren.

Mit Urteil vom 26.09.2023 – IX R 13/22 entschied der BFH, dass der entgeltliche Erwerb eines Anteils an einer Erbengemeinschaft nicht zur anteiligen Anschaffung eines zum Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft gehörenden Grundstücks führt – so die Ausgangssituation.


Wann unterliegt der Verkauf eines Grundstücks im Privatvermögen überhaupt der Einkommensteuer?

Ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft bei Grundstücken liegt grds. vor, wenn ein Grundstück innerhalb von zehn Jahren seit Anschaffung veräußert wird (bei „Verwendung zu eigenen Wohnzwecken“ gibt es hiervon Ausnahmen). Zur Verwirklichung des steuerbaren Tatbestands bedarf es also zunächst einer „Anschaffung“ und einer „Veräußerung“ des Grundstücks innerhalb der Zehnjahresfrist. Unter Anschaffung bzw. Veräußerung ist in diesem Kontext jeweils die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts (hier: Grundstück) auf einen Dritten zu verstehen. Wird erst nach Fristablauf veräußert, unterliegt ein etwaiger Gewinn (oder Verlust) nicht der Einkommensteuer.


Und im Erbfall?

Sind mehrere Erben vorhanden, entsteht durch den Tod des Erblassers eine Erbengemeinschaft. Der Nachlass des Erblassers wird zu deren gemeinschaftlichem Vermögen. Die Erbengemeinschaft ist eine sog. „Gesamthandsgemeinschaft“, bei der einzelne Gesamthänder (die Miterben) über einzelne Gegenstände oder Schulden des Nachlasses nicht allein verfügen können. Jeder Miterbe ist an der Erbengemeinschaft – und damit an sämtlichen Vermögensgegenständen und Schulden im Nachlass – quotal beteiligt.


Verkauf seitens der Erbengemeinschaft

Verkauft nun die Erbengemeinschaft selbst ein (nicht zu eigenen Wohnzwecken genutztes) Grundstück aus dem Nachlass und erfolgt dies innerhalb von zehn Jahren nach Anschaffung des Grundstücks durch den Erblasser, so liegt ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft vor.


Worin unterscheidet sich der Urteilsfall des BFH?

Im vom BFH zu entscheidenden Fall gab es – vereinfacht dargestellt – drei Miterben mit Erbquoten von 52 % sowie zweimal 24 %. Im Nachlass befand sich seit dem Erbfall (2015) u. a. ein Grundstück, das offensichtlich schon seit langer Zeit im Besitz des Erblassers war. Der „52%-Miterbe“ (Kläger) kaufte den beiden anderen im Jahr 2017 jeweils deren 24 % Erbanteile ab. Im Jahr 2018 verkaufte er dann das aus dem Nachlass stammende Grundstück. Das Finanzamt ging davon aus, dass in Höhe der entgeltlich hinzuerworbenen Beteiligung (48 % = 2 x 24 %) in 2017 eine entgeltliche Anschaffung des Grundstücks vorliegt und somit der Veräußerungsgewinn aus dem anschließenden Verkauf innerhalb der Zehnjahresfrist insoweit (also zu 48 %) als privates Veräußerungsgeschäft steuerpflichtig ist.


Eine Frage der „Nämlichkeit“

Demgegenüber vertritt der BFH die Auffassung, dass ein Gesamthandsanteil an einer Erbengemeinschaft kein Grundstück darstellt. Der für das private Veräußerungsgeschäft maßgebliche Tatbestand sei zivilrechtlich auszulegen. Da ein einzelner Miterbe auf Basis seiner gesamthänderischen Beteiligung an der Erbengemeinschaft kein alleiniges Verfügungsrecht am Grundstück erlange, könne diese auch einem Grundstück nicht gleichgestellt werden. Nach Auffassung des BFH ist die Verwirklichung des steuerpflichtigen Tatbestands mithin zu verneinen, wenn der (Mit-)Erbe einen Anteil an einer gesamthänderischen Beteiligung (Erbengemeinschaft) anschafft (wie vom Kläger verwirklicht) und sodann ein einzelnes Wirtschaftsgut (hier ein Grundstück aus dem Nachlass) veräußert.


Anteilige Zurechnung der Vermögenswerte der Gesamthand?

Ebenso verneint der BFH hier die Anwendbarkeit der sog. Bruchteilsbetrachtung (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO), wonach gesamthänderisch gebundene Wirtschaftsgüter und Schulden dem Steuerpflichtigen für Besteuerungszwecke anteilig zugerechnet werden. Dies wäre nur dann erforderlich, wenn der Besteuerungstatbestand von der Gesamthand selbst erfüllt worden wäre, nicht jedoch, wenn – wie vorliegend – der Anschaffungs- bzw. Veräußerungsvorgang vom einzelnen Gemeinschafter verwirklicht wurde.


Keine analoge Anwendung der Regelung für Beteiligungen an Personengesellschaften

Letztlich stellt der BFH klar, dass auch die analoge Anwendung der Fiktionsregelung des § 23 Abs. 1 S. 4 EStG betreffend die Anschaffung und Veräußerung von Beteiligungen an Personengesellschaften vorliegend ausscheidet. Der gesetzlichen Fiktionsregelung zufolge gilt die Anschaffung bzw. Veräußerung einer solchen Beteiligung als Anschaffung bzw. Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter. Die Erbengemeinschaft ist jedoch keine Personengesellschaft.

Praxishinweis

Bislang ist das Urteil nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Ob die Verwaltung es anwenden wird, ist daher noch ungewiss. Gleiches gilt für die Frage, ob der Gesetzgeber die genannte Fiktionsregelung künftig auf Erbengemeinschaften erweitert. Im Erbfall ist sorgsam abzuwägen, ob man als ein (Mit-)Erbe – anstelle eines Grundstücks aus dem Nachlass – den Anteil eines anderen Miterben erwirbt (verbunden mit ggf. unbekannten Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft). Denn ein Miterbenanteil ist nun mal – auch steuerlich – kein Grundstück. Ringt man sich – trotz des wirtschaftlichen Risikos bei Übernahme eines Erbanteils dazu durch – so kann sich aus dem Urteil bei einem späteren Verkauf des Grundstücks innerhalb der Zehnjahresfrist ein steuerlicher Vorteil ergeben: Denn nach Lesart des BFH wird durch den späteren Verkauf kein privates Veräußerungsgeschäft realisiert – jedenfalls dann, wenn das Grundstück vom Erblasser vor mehr als 10 Jahren erworben wurde. Für diese Konstellation sollte jedenfalls in Erwägung gezogen werden, ob nicht auch der Verkauf des Grundstücks aus dem Nachlass durch die Erbengemeinschaft als Gestaltung in Betracht kommt und man den Erlös anschließend unter den Miterben im Rahmen einer (Teil-)Auseinandersetzung verteilt. Dieser Gestaltung könnte der Gesetzgeber auch mit einem sog. Nichtanwendungsgesetz nicht in die Quere kommen. Mit anderen Worten: Jeder einzelne Fall bedarf einer intensiven Analyse, ob ein Grundstücksverkauf durch die Erbengemeinschaft an Dritte oder an die oder einzelne (Mit-)Erben oder doch ein Verkauf/Erwerb eines Erbanteils vorzugswürdig ist. Die Euphorie der Presse-Schlagzeilen ist jedenfalls in dieser allgemeinen Form nicht gerechtfertigt.

Tobias Steigenberger

Steuerberater

E-Mail:
tobias.steigenberger@falk-co.de


Mehr Aktuelles?

Gerne möchten wir Sie über aktuelle Themen und Veranstaltungen per E-Mail auf dem Laufenden halten. Bitte melden Sie sich hier für unseren Newsletter an:

Hinweisgebersystem/Interne Meldestelle

Willkommen beim anonymen Hinweisgebersystem/der anonymen internen Meldestelle der FALK GmbH & Co KG. Sie haben die Möglichkeit anonyme Meldungen zu konkreten Gesetzesverstößen oder Verdachtsmomenten einzustellen. Jeglicher Kontakt sowie die damit verbundene Kommunikation erfolgt in anonymer Form. Die Herstellung einer Verbindung zu Ihrer Person ist nicht möglich und auch nicht vorgesehen. Bitte vermeiden Sie die Angabe Ihrer personenbezogenen Daten in der Nachricht/im Betreff.