BFH: Tantiemezahlungen an Minderheitsaktionäre einer AG …
… führen nicht ohne Weiteres zu verdeckten Gewinnausschüttungen
Tantiemezahlungen an Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH stehen bekanntermaßen häufig im Fokus der Finanzverwaltung, ob sie nicht als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) zu werten sind – sei es, weil der bzw. die begünstigten Geschäftsführer (ggf. gemeinsam) mehrheitlich an der GmbH beteiligt sind und sich eine überhöhte Gewinntantieme „genehmigen“, oder sei es, weil es sich um eine bei der Finanzverwaltung per se „verpönte“ Umsatztantieme handelt. In der (Betriebsprüfungs-)Praxis werden diese Verdachtsmomente häufig undifferenziert auch auf Vorstände von Aktiengesellschaften übertragen. In einem aktuellen BFH-Fall zeigt sich, dass die Finanzämter hier manches Mal vorschnell agieren und die Besonderheiten der AG nicht außer Acht gelassen werden dürfen.
Ausgangssituation
Die Klägerin, eine AG, war im Immobiliengeschäft tätig. Der alleinige Vorstand war zu einem Drittel an der AG beteiligt; die beiden anderen Aktionäre hielten ebenfalls jeweils ein Drittel der Anteile und waren ihrerseits beide Mitglieder des dreiköpfigen Aufsichtsrats. Im Vorstandsvertrag war geregelt, dass die Vergütung – neben einem moderaten Fixum – eine gestaffelte Gewinntantieme (bei Überschreiten eines Sockelbetrags) von 10 % des Gewinns vorsah sowie eine Umsatzprovision von 1 %, die auf Basis der Erlöse aus Immobilienverkäufen zu ermitteln war.
Und wie so häufig wurden die Tantiemeregelungen von der Betriebsprüfung aufgegriffen und die daraus resultierenden Zahlungen in wesentlichem Umfang als vGA qualifiziert. Für die AG ging das mit einer entsprechenden Erhöhung der Bemessungsgrundlage für Körperschaft- und Gewerbesteuer einher.
Nach erfolglosen Einspruchs- und Klageverfahren musste sich der BFH der Thematik annehmen.
Und hier der Kommentar aus München
Mit seiner Entscheidung vom 24.10.2024 – I R 36/22 sprang der Bundesfinanzhof der klagenden AG zur Seite:
Sowohl das Finanzamt als auch die finanzgerichtliche Vorinstanz hatten nicht ausreichend die aktienrechtlichen Besonderheiten der Rechtsform der AG gewürdigt. Anders als bei der GmbH, wo der Anstellungsvertrag des Geschäftsführers im Regelfall der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedarf, wird die AG bei Rechtsgeschäften mit dem Vorstand durch den Aufsichtsrat vertreten. Bei der Festsetzung der Gesamtbezüge des Vorstands ist der Aufsichtsrat aktienrechtlich angehalten dafür zu sorgen, dass die Bezüge in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des Vorstandsmitglieds sowie zur Lage der Gesellschaft stehen.
Die Unterschiede in den Entscheidungsstrukturen der AG (gegenüber der GmbH) schließen zwar nicht per se aus, dass die vereinbarte Vergütung letztlich an den Interessen des Vorstands ausgerichtet ist und deshalb ggf. als vGA zu werten ist – insbesondere, wenn der Vorstand mehrheitlich an der AG beteiligt ist.
Ist der Vorstand jedoch lediglich als Minderheitsaktionär beteiligt, fehlt es an einer Beherrschungssituation; insbesondere fehlt dem Minderheitsaktionär in der Hauptversammlung die erforderliche Mehrheit, einen ihm genehmen und ggf. „hörigen“ Aufsichtsrat zu wählen. Hierbei unterstellt der BFH, dass insbesondere dem Vorstand nicht nahestehende Personen als Mitglieder des Aufsichtsrats primär die Interessen der Gesellschaft und nicht die persönlichen Interessen des Vorstands im Blick haben.
Im Hinblick auf die mit dem alleinigen Vorstand der Klägerin vereinbarten Tantiemezahlungen hat der BFH deshalb keine Bedenken, dass die Fremdüblichkeit gewahrt wird. Der Aufsichtsrat war in seiner Zusammensetzung unabhängig, so dass es auch keine Rolle spielte, dass neben dem Vorstand nur zwei weitere Personen dem Aktionärskreis angehörten und diese beiden zugleich Mitglieder des Aufsichtsrats waren.
Anerkannt wurde somit auch, dass es zwischen den drei Aktionären Interessengegensätze gab und somit nicht einfach in toto bezogen auf die Gesamtheit der Aktionäre von beherrschenden Aktionären ausgegangen werden konnte.
Vor diesem Hintergrund war nicht nur die Gewinntantieme anzuerkennen, sondern selbst die am Umsatz ausgerichtete Komponente, da sich für die konkrete Vereinbarung wirtschaftliche Gründe aufzeigen ließen.
Fazit: Ein Erfolg für die Klägerin auf der ganzen Linie!
Praxishinweis
Im Hinblick auf die steuerliche Anerkennung der Vergütung des Leitungsorgans einer Kapitalgesellschaft bietet die Aktiengesellschaft offensichtlich gewisse Vorteile gegenüber der GmbH – im Wesentlichen bedingt durch die aktienrechtlich vorgesehenen strukturellen Unterschiede in den Entscheidungsstrukturen. Dieser Umstand sollte einem jedoch nicht ohne Weiteres dazu bewegen, dass man seine GmbH per Formwechsel spontan in eine AG überführt. Vielmehr sollte man sich zunächst einen genauen Überblick verschaffen, mit welchen aktienrechtlichen Besonderheiten man es bei der AG tatsächlich zu tun hätte, die die Administration einer AG – verglichen zum Statut der GmbH – wesentlich aufwendiger machen. Nach unseren praktischen Erfahrungen wird sich – unter diesem Blickwinkel – zumindest für kleinere Einheiten ein Formwechsel im Regelfall nicht anbieten.
