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Ende der Finanzierungsfreiheit im Konzern?!

Erhöhte Planungs- und Dokumentationsanforderungen bei Konzernfinanzierungen

Rechtsstand

Mit dem Wachstumschancengesetz wurden – als kurzfristiger Ersatz für die geplante Einführung der Zinshöhenschranke – im Hinblick auf Finanzierungsbeziehungen in internationalen Unternehmensgruppen die Absätze 3d und 3e in § 1 Außensteuergesetz (AStG) aufgenommen. Am 14.08.2024 zirkulierte das BMF zudem einen Entwurf zu Anpassungen der Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise vom 06.06.2023 (VWG 2024-E) mit einem komplett überarbeiteten Kapitel „J-Finanztransaktionen“. Die Änderungen sind ab 2024 relevant und betreffen vordergründig nur neue, nach dem 31.12.2023 geschlossene Darlehen; im Regelfall werden jedoch auch vor 2024 vereinbarte Konzerndarlehen betroffen sein, wenn das jeweilige Darlehen über das Jahr 2024 hinaus fortgeführt wird. 


Was ist ein Darlehen?

Im Einklang mit der OECD ist die Qualifizierung einer Finanzbeziehung als Eigen- oder Fremdkapital basierend auf der jeweiligen Funktions- und Risikoanalyse vorzunehmen.

§ 1 Abs. 3d Nr. 1 AStG macht den Abzug des Zinsaufwands einer Finanzbeziehung explizit davon abhängig, ob


  1. der Darlehensnehmer den Kapitaldienst für die gesamte Laufzeit von Anfang an hätte erbringen können,
  2. dieser die Finanzierung wirtschaftlich benötigt und
  3. für den Unternehmenszweck verwendet.


Nach VWG 2024-E müssen alle drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein und werden ausführlich erläutert.


So sollen bei Darlehensabschluss beim Darlehensnehmer ausreichende Vermögenswerte zur Verfügung stehen, um Zins und Tilgung zu leisten. Aber: „Die Überlassung des Kapitals ist nicht schon deshalb fremdunüblich, weil eine Anschlussfinanzierung notwendig ist.“


Eine Finanzierung wird wirtschaftlich benötigt, wenn „[…] eine begründete Aussicht auf eine Rendite besteht, welche die Finanzierungskosten deckt.“ Wie hierfür über Planungsrechnungen der Nachweis erbracht werden soll, bleibt offen. Nach niederländischem Vorbild könnte das beispielweise durch die Darstellung einer mit der Finanzierung verbundenen, erwarteten höheren Eigenkapitalrendite (Leverage-Effekt) gelingen.


Sind die ersten zwei Punkte noch nachvollziehbar, besteht im Nachweis zur Verwendung der Finanzierung zum Unternehmenszweck ein erheblicher Eingriff in die Finanzierungsfreiheit. Diskussionen mit der Finanzverwaltung sind vorprogrammiert, wenn die mit der Finanzierung getätigte Investition bspw. in einen letztendlich nicht profitablen neuen Geschäftsbereich oder zum Aufbau neuer Funktionen erfolgt. 


Können die kumulativen Nachweise nicht erbracht werden, soll nach den VWG 2024-E lediglich der zu hohe Zins beim Darlehensnehmer korrigiert werden. Nach der Gesetzesbegründung und den Vorgaben der OECD war noch mit einer Nichtanerkennung der Finanzierung dem Grunde nach und Qualifizierung als verdeckte Einlage zu rechnen.


Fremdüblicher Zins

Nach § 1 Abs. 3d Nr. 2 AStG ist der fremdübliche Zinssatz über die Preisvergleichsmethode grundsätzlich anhand des Konzernratings zu bestimmen. Wenn das Einzelrating nachweisbar besser zur Zinsbestimmung geeignet ist, soll dieses herangezogen werden. 

Nach den VWG 2024-E ist im Regelfall ein öffentliches (Konzern-)Rating einer Ratingagentur nach EU Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 ohne weitere Voraussetzung zur Zinsbestimmung zu verwenden. Privatratings können nur nachrangig verwendet werden und bei der Verwendung von Ratingsoftware sind qualitative Faktoren sachgerecht zu berücksichtigen. Diese Anforderungen erscheinen praxisfremd, da öffentliche Ratings meist nur bei Großkonzernen vorliegen und die Erstellung eines solchen Ratings zu Verrechnungspreiszwecken regelmäßig jeden Kostenrahmen sprengen dürfte.


Liegt kein Gruppenrating vor, kann dieses aus den externen Finanzierungskosten der Obergesellschaft abgeleitet werden. Wie dieses in der Praxis zu funktionieren hat, wird leider nicht ausgeführt.


Nach der Bestimmung des Gruppenratings ist dieses im nächsten Schritt anzupassen, um den Einfluss des Konzernrückhalts auf Rating und Zinssatz abzubilden. Die Konzernunternehmen sollen anhand ihrer wirtschaftlichen Bedeutung im Konzern auf einer Skala eingeordnet werden. Für wichtige Unternehmen des Kernbereichs greift der Konzernrückhalt vollumfänglich und das Gruppenrating ist relevant. Mit abnehmender wirtschaftlicher Bedeutung des Konzernunternehmens ist das Konzernrating negativ anzupassen (Top-down-Ansatz). Für nichtstrategische Unternehmen ist im Regelfall – abweichend vom Grundsatz – das Einzelrating heranzuziehen und mit zunehmender wirtschaftlicher Bedeutung positiv anzupassen (Bottom-up-Ansatz).


Funktionsarme Finanzierungsleistungen

§ 1 Abs. 3e AStG stellt klar, dass Finanzierungsleistungen (z. B. Steuerung von Finanzmitteln und Liquiditätsmanagement) von Konzernunternehmen weiterhin regelmäßig als funktions- und risikoarm zu qualifizieren sind.

Auch hier ist im Regelfall nach VWG 2024-E die Preisvergleichsmethode anzuwenden. Als Folge ihrer Qualifizierung als funktions- und risikoarm erhalten Finanzierungsgesellschaften lediglich eine risikolose Rendite. Zahlt beispielsweise ein nichtstrategisches Unternehmen einen fremdvergleichskonformen Zinssatz (über Einzelrating ermittelt) an eine Finanzierungsgesellschaft, darf die Finanzierungsgesellschaft nur den risikolosen Zins erhalten. 

Praxishinweis

Mit § 1 Abs. 3d und 3e AStG und den VWG 2024-E sind erhebliche zusätzliche Planungs- und Dokumentationserfordernisse verbunden. Bei Abschluss und Änderungen von Darlehensverträgen ist deren „Sinnhaftigkeit“ zu begründen und regelmäßig eine Ratinganalyse zur Zinsbestimmung durchzuführen.


Da die neuen Regelungen im Regelfall auch Altfälle, sprich vor 2024 geschlossene Konzerndarlehen betreffen, wenn sie über 2024 hinaus fortgeführt werden, besteht auch insoweit akuter Handlungsbedarf im Hinblick auf die neuen Regelungen.


Für kleine Unternehmen und/oder Darlehenssummen steht der erforderliche Planungs- und Dokumentationsaufwand für Finanzierungstransaktionen in keinem Verhältnis zum Zinsrisiko.

Kai-Udo Schwinger

Head of Transfer Pricing

E-Mail:
kai.schwinger@falk-co.de


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