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Entwarnung beim § 14c UStG bei Leistungen an Endverbraucher

BMF folgt der Rechtsprechung des EuGH – zumindest im Grundsatz

Der EuGH hatte mit seiner Entscheidung vom 08.12.2022 – C-378/21 in der Rs. P-GmbH eine kleine umsatzsteuerliche Revolution ausgelöst und zugunsten der Klägerin entschieden, dass ein in der Rechnung zu hoch ausgewiesener Steuerbetrag ausnahmsweise nicht ans Finanzamt abzuführen ist, wenn die Leistungen ausschließlich an Endverbraucher erbracht werden. Da diese Sichtweise diametral von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs abwich (zuletzt Urteil vom 13.12.2018 – V R 4/18), durfte man gespannt sein, wie die deutsche Finanzverwaltung reagieren würde.


Zum Hintergrund

Führt ein Unternehmer eine im Inland steuerbare und steuerpflichtige Leistung aus, wird Umsatzsteuer in der gesetzlich geschuldeten Höhe ausgelöst. Weist der leistende Unternehmer in der Rechnung jedoch einen höheren Steuerbetrag aus als er tatsächlich schuldet (bspw. 19 % anstelle von 7 %), muss er grundsätzlich auch den Mehrbetrag an das Finanzamt abführen (unrichtiger Steuerausweis, geregelt in § 14c Abs. 1 UStG). Zwar kann der Unternehmer den unrichtigen Steuerausweis gegenüber dem Leistungsempfänger berichtigen. Im Falle von Kleinbetragsrechnungen ist dies bspw. jedoch unmöglich, da die Leistungsempfänger nicht namentlich bekannt sind.


Der Wortlaut des § 14c UStG unterscheidet nicht, ob der Umsatzsteuerausweis gegenüber einem Unternehmer oder einem Nichtunternehmer erfolgt, obwohl der Zweck dieser Norm einzig darin besteht, einen Missbrauch durch Ausstellung von Rechnungen mit offenem Steuerausweis zu verhindern. Das Steueraufkommen kann allerdings nicht gefährdet sein, wenn es sich beim Leistungsempfänger um einen nicht vorsteuerabzugsberechtigten Endverbraucher handelt.


Reaktion der Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung hat sich in einem aktuellen Schreiben vom 27.02.2024 ausführlich geäußert und wendet nun erfreulicherweise die Grundsätze des EuGH-Urteils vom 08.12.2022 generell an. Wird in einer Rechnung an einen Endverbraucher über eine vom Unternehmer tatsächlich erbrachte Leistung ein zu hoher Steuerbetrag ausgewiesen, wird der Mehrbetrag (die überhöht ausgewiesene Steuer) nicht geschuldet, so dass keine Berichtigung notwendig ist.


Auch wenn das aktuelle BMF-Schreiben eine Verbesserung der Rechtslage darstellt, schränkt die Finanzverwaltung den Anwendungsbereich sogleich auch wieder ein und verunsichert hierdurch die Praxis. Soweit durch den Rechnungsaussteller nicht hinreichend beurteilt werden kann, ob die Rechnungsempfänger als Unternehmer oder als Endverbraucher gehandelt haben, sind die Grundsätze des Schreibens nicht anzuwenden, d. h., ohne Rechnungsberichtigung wird die § 14c-Steuer weiterhin geschuldet. Weder Schätzungen noch Wahrscheinlichkeitsrechnungen werden akzeptiert. Zumindest darf jedoch die Art der ausgeführten Leistungen für die Beurteilung, ob der Leistungsempfänger als Endverbraucher gehandelt hat, herangezogen werden. Nachhilfeunterricht für Schüler gehört bspw. zu den sonstigen Leistungen, die typischerweise nicht für unternehmerische Zwecke verwendet werden. Die Glaubhaftmachung des ausschließlich nichtunternehmerischen Leistungsempfängers könnte in solch einem Fall erfolgreich sein.


Ausblick

Sowohl die nationale Rechtsprechung als auch die bisherige Auffassung der Finanzverwaltung ließen bis dato eine teleologische Reduktion der Regelung zum unrichtigen Steuerausweis nicht zu, wodurch die nationale Norm restriktiver war als die unionsrechtliche Vorgabe. Dies ändert sich nun – allerdings scheint das letzte Wort noch nicht gesprochen zu sein.

Denn im ursprünglich vom EuGH zu beurteilenden Fall waren die Leistungen ausschließlich an Endverbraucher erbracht worden. Ein Ausschließlichkeitserfordernis ließ sich aus diesem Urteil allerdings nicht herauslesen, weshalb der österreichische Verwaltungsgerichtshof den EuGH nun erneut um Vorabentscheidung gebeten hat: Wie ist zu verfahren, wenn nicht vollkommen ausgeschlossen werden kann, dass Kunden – wenn auch in sehr geringem Umfang – (zu Recht oder Unrecht) einen Vorsteuerabzug aus den Rechnungen vorgenommen haben?

Praxishinweis

Steuerpflichtige sollten, wenn sie nicht bereits von den Ausführungen des BMF-Schreibens profitieren, hinsichtlich der aktuellen Dynamik etwaige Fälle mit Verweis auf die erneut beim EuGH anhängige Vorlagefrage offen halten, um ggf. später von einer noch weitergehenden Verbesserung zu profitieren.


Grundsätzlich keine Änderungen ergeben sich im Übrigen hinsichtlich des sog. „unberechtigten“ Steuerausweises nach § 14c Abs. 2 UStG, wenn bspw. ein Unternehmer für eine gar nicht ausgeführte Leistung mit gesondertem Steuerausweis abrechnet („Scheinrechnung“). Die Grundsätze des BMF-Schreibens sind in den Fällen eines unberechtigten Steuerausweises nicht anzuwenden. Eine solche Steuer wird weiterhin geschuldet, unabhängig vom Status des Leistungsempfängers. Einzige Ausnahme ist lediglich der Kleinunternehmer, der über seine ausgeführte Leistung gegenüber einem Endverbraucher mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer abrechnet. In diesem Fall wird die Umsatzsteuer nicht geschuldet.

Christoph Müller

Steuerberater

E-Mail:
christoph.mueller@falk-co.de


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