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Ertragswertverfahren gemäß IDW S 1 vs. vereinfachtes Ertragswertverfahren

Ein Überblick über Methodik und Unterschiede der beiden Bewertungsverfahren – wann soll man welches Verfahren anwenden?

Das vereinfachte Ertragswertverfahren ist in den §§ 199 ff. Bewertungsgesetz (BewG) geregelt. Es wird primär bei steuerlichen Bewertungen von Unternehmen oder Unternehmensanteilen für erbschaft- oder schenkungsteuerliche Zwecke genutzt. Dieses Verfahren ermöglicht eine vergleichsweise schnelle und standardisierte Bewertung. Dem Steuerpflichtigen steht jedoch das Recht zu, alternative Bewertungsverfahren zu wählen. Hierbei kommt in der Praxis oftmals das Ertragswertverfahren nach dem IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1 i. d. F. 2008) zum Einsatz.


Grundlagen

Zur Ermittlung des vereinfachten Ertragswertes nach dem BewG wird der zukünftig nachhaltig erzielbare Jahresertrag auf Basis der durchschnittlich erwirtschafteten Erträge der letzten drei Geschäftsjahre – und somit auf Basis der Vergangenheit – abgeleitet. Hierbei werden die Ergebnisse der vergangenen Geschäftsjahre um bestimmte Hinzurechnungen und Kürzungen, wie z. B. einmalige Veräußerungsgewinne bzw. -verluste oder außerordentliche Erträge oder Aufwendungen, angepasst. Der sich hiernach ergebende Durchschnittswert wird dann mit einem festgelegten Kapitalisierungsfaktor, der unabhängig von der unternehmensspezifischen Situation für alle Unternehmen gleich ist, multipliziert. Aktuell beträgt dieser Faktor 13,75 gem. § 203 Abs. 1 BewG. 


Generell sieht das Bewertungsgesetz vor, dass das vereinfachte Ertragswertverfahren nur dann angewendet wird, wenn dieses nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt. Jedoch ist im Gesetz nicht definiert, was genau unter „unzutreffend“ zu verstehen ist und auf welcher Vergleichsbasis die Feststellung, ob ein Wert unzutreffend ist, getroffen werden kann. 


Das Ertragswertverfahren nach IDW S 1 (2008) ermittelt den Unternehmenswert auf Basis der zukünftig erwarteten finanziellen Überschüsse, die auf den Bewertungsstichtag abgezinst werden. Basis für die Ermittlung der finanziellen Überschüsse bildet jedoch – anders als beim vereinfachten Ertragswertverfahren – i. d. R. eine vom Management aufgestellte Unternehmensplanung. Die Abzinsung der Überschüsse erfolgt mit einem unternehmensindividuellen Kapitalisierungszinssatz. Der hierbei zur Anwendung kommende Kapitalisierungszinssatz repräsentiert die Rendite aus einer zur Investition in das zu bewertende Unternehmen adäquaten Alternativanlage und muss dem zu kapitalisierenden Zahlungsstrom hinsichtlich Fristigkeit, Risiko, Besteuerung und Währung äquivalent sein.


Wesentliche Unterschiede und Würdigung:

Während der Ertragswert nach IDW S 1 auf einer Zukunftsprognose basiert, wird beim vereinfachten Ertragswertverfahren ein vergangenheitsorientierter Durchschnittswert herangezogen. Sofern die historischen Erträge nicht die zukünftige Ertragslage widerspiegeln, kann es zu deutlichen Überbewertungen kommen – sofern die Ergebnisse der Vergangenheit deutlich über der Erwartung – oder zu deutlichen Unterbewertungen – sofern die Ergebnisse der Vergangenheit deutlich unter der Erwartung liegen. Insbesondere wenn die Vergangenheitsergebnisse bei Unternehmen, wie aktuell durch die COVID-19-Pandemie oder den Ukraine-Krieg, beeinflusst sind, kann dies zu unzutreffenden Ergebnissen führen. Auch sieht das vereinfachte Ertragswertverfahren keine unterschiedliche Gewichtung der einzelnen Betrachtungsjahre vor. Das heißt, die Geschäftsjahre, die vom Bewertungsstichtag weiter entfernt sind, fließen mit dem gleichen Gewicht ein, wie das aktuellste Geschäftsjahr. Entwicklungen zwischen dem Ende des letzten Geschäftsjahres und dem Bewertungsstichtag finden beim vereinfachten Ertragswert im Gegensatz zum Ertragswert nach IDW S 1 zudem keine Berücksichtigung.


Das vereinfachte Ertragswertverfahren rechnet mit einem festgelegten Kapitalisierungsfaktor von 13,75, der sich seit dem Jahr 2016 nicht verändert hat. Dies entspricht umgerechnet einem Kapitalisierungszinssatz von rd. 7,27 %. Das unternehmensspezifische Risiko sowie die Finanzierungssituation des Bewertungsobjektes finden somit keine Berücksichtigung. Beim Ertragswertverfahren nach IDW S 1 werden dagegen unternehmensspezifische Kapitalkosten unter Berücksichtigung der jeweiligen Verschuldung abgeleitet. Diese können je nach Unternehmen deutlich von 7,27 % abweichen.

 

Aufgrund der vergleichsweisen einfachen Methodik und der standardisierten Parameter ist eine Bewertung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren methodisch weniger komplex als eine Bewertung nach dem Ertragswertverfahren gemäß IDW S 1 und somit i. d. R. auch schneller und kostengünstiger. 

Fazit

Insbesondere bei Unternehmen, bei denen zu erwarten ist, dass die zukünftigen Erwartungen wesentlich von denen der Vergangenheit abweichen, kann es beim vereinfachten Ertragswert zu unzutreffenden Bewertungsergebnissen kommen. Somit kann es sich für den Steuerpflichtigen insbesondere dann lohnen, eine Bewertung nach dem Ertragswertverfahren nach IDW S 1 (2008) zu beauftragen, wenn die zukünftigen Erträge des Unternehmens voraussichtlich unterhalb des durchschnittlichen Ertrags der Vergangenheit oder die unternehmensspezifischen Kapitalkosten wesentlich oberhalb von 7,27 % liegen. Dagegen ist bei Unternehmen, die ein zur Vergangenheit vergleichbares konstantes Ergebnis erwarten und bei denen die Kapitalkosten nicht wesentlich von 7,27 % abweichen, der vereinfachte Ertragswert eine schnelle und vergleichsweise kostengünstige Methode zur überschlägigen Ermittlung des Unternehmenswertes für steuerliche Zwecke.

Felix Lindner

CVA

E-Mail:
felix.lindner@falk-co.de


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