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Grunderwerbsteuer: (Nicht-)Anwendung der verlängerten Nachbehaltensfrist für Erwerbsvorgänge vor dem 01.07.2021?

FG Düsseldorf: Anwendung der zehnjährigen Nachbehaltensfrist für Erwerbsvorgänge, die vor Wirksamwerden der verlängerten Frist am 01.07.2021 verwirklicht wurden, ist zweifelhaft

Begünstigung von Grundbesitztransfers auf Personengesellschaften 

Bei der Übertragung von Grundbesitz auf eine Personengesellschaft kann unter bestimmten Voraussetzungen eine grunderwerbsteuerliche Befreiung in Anspruch genommen werden. Die Befreiung gilt grundsätzlich insoweit, als die übertragende(n) Person(en) auch an der das Grundstück erwerbenden Gesellschaft beteiligt sind. Hierin liegt die Ursache, dass für Grundstückstransfers regelmäßig bevorzugt Kommanditgesellschaften verwendet werden. Aber: Der Gesetzgeber hat vorgebaut, um missliebigen Gestaltungen entgegenzuwirken, und die Befreiungsnorm mit einer Überwachungsfrist „garniert“: Hiernach entfällt die Steuerbefreiung rückwirkend, wenn der Anteil des einbringenden Gesellschafters am Vermögen der erwerbenden Personengesellschaft innerhalb einer festgelegten Nachbehaltensfrist nach dem Übergang des Grundstücks verringert wird bzw. entfällt. Entsprechende Regelungen gelten im Übrigen für Grundstückstransfers zwischen Personengesellschaften. 


Verschärfung der Rechtslage 

Bis zum 30.06.2021 betrug diese Nachbehaltensfrist fünf Jahre. Mit Wirkung zum 01.07.2021 wurde die Frist im Rahmen der Neuregelung der sog. „Share Deals“ auf zehn (!) Jahre verlängert – eine gravierende Verschärfung der Rechtslage. Aus Gründen des Vertrauensschutzes hat der Gesetzgeber explizit die Altfälle ausgenommen, bei denen die bislang geltende Fünfjahresfrist bereits vor dem 01.07.2021 abgelaufen war. Soweit so gut. Strittig – weil nicht explizit geregelt – ist seitdem jedoch, ob die neue zehnjährige Nachbehaltensfrist auch für solche vor dem 01.07.2021 getätigten Transaktionen gilt, bei denen die fünfjährige Frist zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung noch nicht abgelaufen war, oder ob sie lediglich auf Grundstücksübertragungen nach dem 30.06.2021 Anwendung findet. Diese Rechtsfrage war nun erstmals Gegenstand eines Rechtsstreits vor einem Finanzgericht. 


Streit um die Anwendung der verlängerten Frist 

Im konkreten Fall wurden Anfang des Jahres 2018 zwei Flurstücke von einer Personengesellschaft auf eine andere übertragen, wobei aufgrund der eingangs beschriebenen Steuerbefreiung zunächst keine Grunderwerbsteuer festgesetzt wurde. Mitte des Jahres 2023 – also nach mehr als fünf Jahren, aber auch nach dem 01.07.2021 – erfolgte ein Formwechsel der erwerbenden Personengesellschaft in eine GmbH. Das Finanzamt wertete den „Untergang“ der Personengesellschaft im Rahmen des Formwechsels als eine Verminderung des Anteils der einbringenden Gesellschafter am Vermögen der erwerbenden Personengesellschaft und stellte einen Verstoß gegen die nunmehr auf zehn Jahre verlängerte Nachbehaltensfrist fest. Unweigerliche Folge: Rückwirkend wurde vom Finanzamt Grunderwerbsteuer für den Grundstückstransfer aus 2018 festgesetzt. 


Die Antragstellerin legte Einspruch ein und beantragte gerichtlich die Aufhebung der Vollziehung, da die zum Zeitpunkt der Grundstücksübertragung geltende fünfjährige Frist zum Zeitpunkt des Formwechsels bereits abgelaufen war. Sie argumentierte, dass die Anwendung der zehnjährigen Nachbehaltensfrist eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung darstelle. 


Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf 

Das Finanzgericht Düsseldorf entschied mit Beschluss vom 09.09.2024 - 11 V 1325/24 A (GE) erfreulicherweise zugunsten der Antragstellerin. Da das Verfahren lediglich die Frage betraf, ob Aussetzung der Vollziehung zu gewähren sei, ist die Steuerzahlung zunächst suspendiert. 


Inhaltlich stellte das Gericht fest, dass die verlängerte Nachbehaltensfrist nur für Erwerbsvorgänge nach dem 30.06.2021 Anwendung findet. Es entspräche der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der im Zusammenhang mit der gesetzlichen Neuregelung geschaffenen Übergangsvorschriften, dass für die Bestimmung der Dauer der Nachbehaltensfrist (lediglich) daran anzuknüpfen sei, wann der die Überwachungsfrist auslösende Erwerbstatbestand verwirklicht wurde – sprich ob vor oder nach dem 01.07.2021.

Praxishinweis

Die Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf ist eine erste erfreuliche Klarstellung im Hinblick auf die Anwendung der geänderten Nachbehaltensfristen. Aber: Wie zuvor erwähnt, erging die Entscheidung „nur“ im Rahmen eines Vorverfahrens zur Frage, ob die Vollziehung der festgesetzten Steuer ausgesetzt werden muss. Die endgültige Entscheidung ist dem eigentlichen Rechtsbehelfsverfahren vorbehalten, das, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden ist. 

Dennoch könnten sich auch schon aus dem Vorverfahren wichtige Fingerzeige dadurch ergeben, als die Entscheidung des FG Düsseldorf mittlerweile zur Überprüfung beim Bundesfinanzhof liegt. Je nachdem, wie sich die obersten Finanzrichter positionieren, wird unter Umständen bereits hieraus erkennbar, ob die systematische Auslegung der relevanten Übergangsvorschriften durch das Finanzgericht tatsächlich trägt. 



Hiervon unabhängig sollte man (auch) für vor dem 01.07.2021 ausgelöste Überwachungsfristen Vorsicht walten lassen und Verstöße innerhalb der schärferen Zehnjahresfrist tunlich vermeiden, soweit dies noch gestaltbar ist. 

Sofia Winter

Assistentin der Steuerberatung

E-Mail:
sofia.winter@falk-co.de


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