Grundsteuer – Aktuelle Entwicklungen
Neues zu Grundsteuerbescheiden, Verkehrswertgutachten und Anzeigefristen
Die Umsetzung der Grundsteuerreform befindet sich auf der Zielgeraden. Die erste Rate der neuen Grundsteuer für das Jahr 2025 wird am 15.02.2025 fällig. Ein Großteil der Städte und Gemeinden hat deshalb bereits die neuen Grundsteuerhebesätze festgelegt und erlässt aktuell die Grundsteuerbescheide, die eine entsprechende Zahlungsaufforderung enthalten. Vielerorts werden hierdurch erstmals die Auswirkungen der neuen Bewertungsregeln sichtbar. In der Praxis zeigen sich in Einzelfällen extreme Verwerfungen, die sich aus der Nichtberücksichtigung von einzelfallspezifischen Besonderheiten ergeben. Im Folgenden möchten wir Ihnen deshalb darstellen, welche Handlungsoptionen für Sie bei Erhalt Ihres Grundsteuerbescheids bestehen. Daneben möchten wir angesichts des nahenden Fristablaufs auch auf die neu geschaffenen Grundsteuer-Anzeigepflichten hinweisen.
Belastungsverschiebung durch die Neubewertung
Bei der Festlegung der neuen Grundsteuerhebesätze wurde das Ziel der Aufkommensneutralität ausgegeben. Hierfür haben einige Bundesländer sog. „aufkommensneutrale Hebesätze“ als Vorschlag für die Gemeinden veröffentlicht. Nun hat sich gezeigt, dass sich die meisten Gemeinden an den Hebesätzen orientiert haben, auch wenn die Hebesätze auf Grund des bestehenden Finanzierungsbedarfs häufig leicht über der Empfehlung liegen. Im Ergebnis kommt es zu den erwarteten Belastungsverschiebungen. Bei einigen Steuerpflichtigen vermindert sich die Grundsteuerbelastung, während sie sich bei anderen erhöht. Zu den Gewinnern gehören vor allem Eigentümer von größeren Mehrfamilienhäusern und Industrieimmobilien. Stärker belastet werden hingegen Eigentümer von Ein- und Zweifamilienhäusern mit großen Grundstücksflächen. Dies gilt insbesondere in Baden-Württemberg, da hier ausschließlich auf die Grundstücksfläche abgestellt wird.
Praxishinweis
Ein (bereits zuvor eingelegter) Einspruch gegen den (zumeist bereits vor geraumer Zeit ergangenen) Grundsteuerwertbescheid wegen der möglichen Verfassungswidrigkeit der neuen Grundsteuer führt nicht zu einer Aussetzung der Vollziehung. Die Grundsteuer ist trotz des Einspruchs an den im Grundsteuerbescheid genannten Fälligkeitsterminen zu entrichten und würde bei einem entsprechenden Urteil des BVerfG erstattet werden.
Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes
Der BFH hat zuletzt eine neue Handlungsoption geschaffen, um gegen die Höhe der Grundsteuer vorzugehen. Er hat mit zwei Beschlüssen vom 27.05.2024 (Az. II B 78/23 AdV, II B 79/23 AdV) entschieden, dass die bestehenden Bewertungsregeln des Bundesmodells verfassungsgemäß dahingehend auszulegen seien, dass für den Steuerpflichtigen die Möglichkeit bestehen muss, einen niedrigeren Wert nachzuweisen. Mit dem Jahressteuergesetz 2024 wurde diese Möglichkeit im Bewertungsgesetz verankert. Ab sofort kann deshalb der Nachweis eines niedrigeren Werts durch Mitteilung eines für das Grundstück innerhalb von einem Jahr vor bzw. nach dem 01.01.2022 tatsächlich gezahlten Kaufpreises oder durch Einreichung eines Verkehrswertgutachtens erbracht werden. Ein Nachweis mittels Verkehrswertgutachtens kann – neben den Bundesländern mit Bundesmodell – auch in Baden-Württemberg erbracht werden. In Hessen, Bayern, Niedersachsen und Hamburg ist dies hingegen nicht möglich.
Praxishinweis
Zum Nachweis des niedrigeren Werts muss gegen den Grundsteuerwertbescheid und nicht gegen den Grundsteuerbescheid vorgegangen werden. Sofern bereits Einspruch gegen den Grundsteuerwertbescheid eingelegt wurde, kann ein Verkehrswertgutachten jederzeit mit Wirkung zum 01.01.2025 berücksichtigt werden. Ansonsten müssen die Voraussetzungen für eine (fehlerberichtigende) Wertfortschreibung geprüft werden. Während in Baden-Württemberg für eine Wertfortschreibung zum 01.01.2025 das Gutachten bis zum 30.06.2025 beauftragt werden muss, ist es beim Bundesmodell ausreichend, wenn das Gutachten bis zum 31.12.2025 eingereicht wird.
Wann ist ein Gutachten sinnvoll?
Ein Verkehrswertgutachten hat grundsätzlich dann Aussicht auf Erfolg, wenn es wegen nicht berücksichtigter Besonderheiten des betroffenen Grundstücks (z. B. Hanglage, Altlasten, Übergröße der Grundstücksfläche etc.) zu einer Überbewertung gekommen ist. In Baden-Württemberg muss der mit dem Verkehrswertgutachten nachgewiesene Wert mindestens 30 % niedriger als der bisher festgestellte Grundsteuerwert sein, um eine Änderung zu erwirken. Im Bundesmodell muss der bisher festgestellte Grundsteuerwert hingegen mindestens 40 % höher als der mit dem Verkehrswertgutachten nachgewiesene Wert sein.
Bei der Entscheidung zur Einholung eines Gutachtens ist zu beachten, dass das Verkehrswertgutachten anschließend nur für sechs Jahre (bis zum 31.12.2030) für die Erhebung der Grundsteuer maßgeblich sein wird, d. h., für die Erhebung der Grundsteuer ab dem 01.01.2031 müsste ggf. erneut ein Gutachten eingeholt werden. Ein Vorgehen gegen den Grundsteuerwertbescheid ist somit nur dann wirtschaftlich sinnvoll, wenn die voraussichtliche Grundsteuerersparnis für die nächsten sechs Jahre die Kosten für das Verkehrswertgutachten übersteigt.
Wo kann ein Gutachten eingeholt werden?
Das Verkehrswertgutachten kann bei nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Sachverständigen oder dem örtlich zuständigen Gutachterausschuss eingeholt werden. Auf Grund des hohen Arbeitsaufkommens ist jedoch mit längeren Bearbeitungszeiten zu rechnen, weshalb das Gutachten zeitnah in Auftrag gegeben werden sollte, um eine Berücksichtigung zum 01.01.2025 sicherzustellen. Maßgeblich sind für den Gutachter die Wertverhältnisse zum 01.01.2022 d. h., eine Änderung der Bodenrichtwerte nach diesem Zeitpunkt ist nicht zu berücksichtigen.
Neue Anzeigepflichten
Zuletzt ist auch auf die im Rahmen der Grundsteuerreform für alle Grundstückseigentümer neu eingeführten Anzeigepflichten hinzuweisen. Eine Grundsteuer-Änderungsanzeige ist in Baden-Württemberg und Hessen bis zum 31.01.2025 – in allen anderen Bundesländern bis zum 31.03.2025 – beim zuständigen Finanzamt einzureichen, sofern im Jahr 2024 eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten ist, die sich auf die Höhe der Grundsteuer auswirkt. Hierzu gehört beispielsweise die Parzellierung des Grundstücks, die Nutzung zu Wohnzwecken statt zu gewerblichen Zwecken oder der Neubau bzw. Abriss von Gebäuden. Änderungen des Eigentümers sind hingegen im Regelfall nicht anzuzeigen und werden von Amts wegen berücksichtigt. Sollten sich entsprechende Änderungen in den Jahren 2022 und 2023 ergeben haben, sollten diese zeitnah angezeigt werden, da die entsprechende Frist bereits am 31.12.2024 ausgelaufen ist.
Praxishinweis
Mit Erlass der Grundsteuerbescheide werden die Folgen der Grundsteuerreform sichtbar. Bei Steuerpflichtigen, deren Grundsteuerbelastung sich signifikant erhöht hat, ist die Einholung eines Verkehrswertgutachtens kurzfristig zu prüfen. Hierbei müssen die Voraussetzungen für die Anerkennung des Verkehrswertgutachtens berücksichtigt und die Kosten für das Gutachten gegen die mögliche Steuerersparnis abgewogen werden. Daneben sollten Steuerpflichtige den nahenden Ablauf der Anzeigefrist für grundsteuererhebliche Änderungen im Jahr 2024 im Blick behalten und ggf. eine erforderliche Änderungsanzeige zeitnah veranlassen. Wir unterstützen Sie hierbei gerne!
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