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Inkongruente Gewinnausschüttungen: Kehrtwende des BMF

Finanzverwaltung übernimmt günstige BFH-Rechtsprechung

Was bedeutet „inkongruente Gewinnausschüttung“?

Von einer inkongruenten Gewinnausschüttung spricht man, wenn bei der Ausschüttung des Gewinns einer Kapitalgesellschaft ein vom nominellen Beteiligungsverhältnis (Anteil am Grund- oder Stammkapital) abweichender Verteilungsschlüssel zugrunde gelegt wird.



Bisheriger Meinungsstreit zwischen Finanzverwaltung und Rechtsprechung

Nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung wurde eine inkongruente Gewinnverteilung (nur) unter folgenden Voraussetzungen steuerlich anerkannt:


  • Der Gesellschaftsvertrag schreibt einen anderen Maßstab als das Verhältnis der Geschäftsanteile für die Verteilung des Gewinns vor.
  • Alternativ genügte eine Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag, wonach jährlich eine vom Verhältnis der Geschäftsanteile abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden konnte, wenn der Beschluss mit Zustimmung der beeinträchtigten Gesellschafter und mit der laut Gesellschaftsvertrag notwendigen Mehrheit gefasst wurde.


Der BFH hatte darüber hinaus und gegen die Auffassung der Finanzverwaltung in seinem Urteil vom 28.09.2022 – VIII R 20/20 entschieden, dass eine steuerlich anzuerkennende inkongruente Gewinnausschüttung auch dann gegeben ist, wenn keine dieser gesellschaftsrechtlichen Regelungen vorhanden ist; es soll ausreichen, dass der Beschluss über die Ausschüttung mit den Stimmen aller Gesellschafter gefasst wurde und von keinem Gesellschafter angefochten werden kann. Man spricht insoweit von einem punktuell satzungsdurchbrechenden Beschluss. 


Geänderte Auffassung der Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung hat nunmehr mit Datum vom 04.09.2024 ein BMF-Schreiben veröffentlicht, in dem sie der Rechtsauffassung des BFH folgt. Das neue BMF-Schreiben ersetzt das bisherige Schreiben aus dem Jahr 2013 und ist in allen noch offenen Fällen anzuwenden.


Wichtig ist, dass weiterhin nur ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Gewinnausschüttung steuerliche Anerkennung finden kann. Der Beschluss darf nicht einen vom Gesellschaftsvertrag dauerhaft – bzw. für einen begrenzten Zeitraum – abweichenden Gewinnverteilungsschlüssel vorsehen. Mit anderen Worten: Die Fassung eines entsprechenden Beschlusses ist bei jeder Gewinnausschüttung notwendig. 


Hiervon abzugrenzen: Die gespaltene Gewinnverwendung

Erfreulicherweise greift die Finanzverwaltung in dem neuen BMF-Schreiben auch ein anderes bisher strittiges Thema auf – die gespaltene Gewinnverwendung. Auch hier gehen die Aussagen der Finanzverwaltung auf die BFH-Rechtsprechung zurück. In dem Urteil vom 28.09.2021 – VIII R 25/19 entschied der BFH, dass ein zivilrechtlich wirksamer Gesellschafterbeschluss grundsätzlich auch steuerlich anzuerkennen ist, durch den der auf den Mehrheitsgesellschafter gemäß seiner Beteiligung entfallende Anteil am Gewinn nicht ausgeschüttet, sondern in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt wird. Die Einstellung eines Gewinnanteils in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage führt auch bei einem beherrschenden Gesellschafter nicht zum Zufluss von Kapitalerträgen.


Die dargestellten Grundsätze gelten insbesondere für die GmbH. Bei einer AG ist eine inkongruente Gewinnausschüttung nur dann anzuerkennen, wenn in der Satzung ein vom Verhältnis der Anteile am Grundkapital abweichender Gewinnverteilungsschlüssel festgelegt wurde und die Ausschüttung diesem Verhältnis entspricht. Eine Öffnungsklausel oder ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss finden dagegen anders als bei der GmbH keine steuerliche Anerkennung. 

Praxishinweis

Die Aussagen der Finanzverwaltung zu den Anerkennungsvoraussetzungen für eine steuerlich akzeptierte inkongruente Gewinnausschüttung sind begrüßenswert – wenngleich auch überfällig, da die zugrunde liegende BFH-Entscheidung bereits aus dem Jahr 2022 stammt. Das neue BMF-Schreiben schafft Rechtssicherheit und eröffnet – kurzfristig umsetzbare – Gestaltungsmöglichkeiten zur steueroptimalen Gewinnverteilung bei einer Kapitalgesellschaft. Bei Ausschüttungsentscheidungen können zukünftig die individuellen Anforderungen der Gesellschafter besser berücksichtigt werden. Durch die Einstellung in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage kann der Zufluss und damit die Versteuerung von Gewinnanteilen zielgerichtet vermieden bzw. auf einen späteren Wunschtermin zeitlich verschoben werden. 

Dr. Michael Vituschek

Steuerberater

E-Mail:
michael.vituschek@falk-co.de


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