Neues zu steuerfreien Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit
BFH: Berechnung des Grundlohns erfolgt anhand des arbeitsvertraglich geschuldeten Lohns
Der BFH entschied in seinem Urteil vom 10.08.2023 – VI R 11/21, dass der für die Bemessung der Steuerfreiheit von Zuschlägen zur Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit maßgebende Grundlohn der laufende Arbeitslohn ist, der dem Arbeitnehmer arbeitsvertraglich zusteht. Ob und in welchem Umfang der Grundlohn dem Arbeitnehmer tatsächlich zufließt, ist für die Bemessung der Steuerfreiheit der Zuschläge ohne Belang.
Hintergrund
Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem sog. Grundlohn gezahlt werden (sog. SFN-Zuschläge), sind unter gewissen Voraussetzungen steuerfrei (§ 3b EStG) und im Grundsatz auch sozialversicherungsfrei (siehe aber nachfolgenden Praxishinweis). Hierbei definiert das Gesetz als Grundlohn den laufenden Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht. Der Grundlohn stellt die Basis dar, anhand derer die (maximal) steuerfreien (Teil-)Beträge der gezahlten SFN-Zuschläge ermittelt werden (gleichgültig wie hoch die vom Arbeitgeber tariflich oder vertraglich gezahlten Zuschläge tatsächlich sind). Für Nachtarbeit beispielsweise sind Zuschläge bis zu 25 % des Grundlohns begünstigt, für Sonntagsarbeit bis zu 50 % oder in der Spitze für Arbeit an den Weihnachtsfeiertagen Zuschläge bis zu 150 % des Grundlohns. Deshalb ist der ermittelte Grundlohn in einen Stundenlohn umzurechnen (allerdings gedeckelt auf 50 EUR je Stunde).
Zwischenfazit:
Je höher die Basis (sprich der relevante Grundlohn), desto höher die steuerlich begünstigten Zuschläge.
Woran entzündete sich der entschiedene Rechtsstreit?
Die Arbeitgeberin (= Klägerin) zahlte Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit. In die Ermittlung des Grundlohns bezog sie auch Beiträge für die vom Unternehmen im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge dotierte Unterstützungskasse (U-Kasse) ein; diese Beiträge waren jeweils durch Entgeltumwandlung durch die Mitarbeiter finanziert. Streitig war nun, ob diese von den Mitarbeitern wirtschaftlich getragenen Beiträge an die U-Kasse zum Grundlohn zählen und somit die Bemessungsgrundlage für den steuerfreien Teil der gezahlten Zuschläge entsprechend erhöhen.
In der ersten Instanz kam das Finanzgericht Baden-Württemberg zu dem Schluss, dass Beiträge an eine U-Kasse nicht zum Grundlohn gehören. Nach Auffassung des FG richte sich der Begriff des laufenden Arbeitslohns nicht nach dem arbeitsrechtlich geschuldeten Arbeitsentgelt, sondern nach dem tatsächlich zugeflossenen Entgelt. Beiträge an eine U-Kasse seien daher nicht bei der Berechnung der steuerfreien Zuschläge zu berücksichtigen; mit anderen Worten, die steuerfreien Teile der Zuschläge ermitteln sich nur aus dem tatsächlich ausgezahlten Lohn – ohne die U-Kassenbeiträge.
Der BFH leistet Abhilfe
Der BFH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf. Der für die Bemessung der Steuerfreiheit von SFN-Zuschlägen maßgebende Grundlohn umfasst sämtliche Komponenten, die dem Arbeitnehmer für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum als laufender Arbeitslohn arbeitsvertraglich zustehen. Ob und in welchem Umfang der Grundlohn dem Arbeitnehmer tatsächlich zufließt, ist für die Bemessung der Steuerfreiheit der Zuschläge aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift („zusteht“) ohne Bedeutung.
Für den vorliegenden Fall waren die Beiträge an die U-Kasse somit vollumfänglich bei der Ermittlung des relevanten Grundlohns zu berücksichtigen, d. h., die steuerfrei zu belassenen Teile der gezahlten SFN-Zuschläge erhöhten sich entsprechend – also beispielsweise um 25 % der U-Kassenbeiträge für Nachtarbeitszuschläge oder um 150 % der U-Kassenbeiträge für Zuschläge für Weihnachtsarbeit – immer unter der Voraussetzung, dass die Arbeitgeberin entsprechend hohe Zuschläge leistet, was im Streitfall selbstverständlich erfüllt war.
Praxishinweis
Die Berechnung der steuerfreien Zuschläge erfolgt in der Praxis im Wesentlichen in 3 Schritten:
1. Ermittlung des Grundlohns auf Stundenbasis
➔ auf Basis des arbeits- oder tarifvertraglich vereinbarten Arbeitslohns; ggf. gedeckelt
2. Ermittlung der Zuschlagsart (Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit)
➔ gemäß Arbeits- oder Tarifvertrag
3. Ermittlung des Zuschlagssatzes für die steuerfreien Teile der gezahlten SFN-Zuschläge
Achtung: Von der Steuerfreiheit kann ein Arbeitnehmer nur dann profitieren, wenn der Arbeits- oder Tarifvertrag tatsächlich Sonntags-, Feiertags- oder Nachtzuschläge vorsieht. Mit anderen Worten: Sofern kein Anspruch auf Zuschläge besteht, kann auch – trotz tatsächlich geleisteter Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit – nicht von der Steuerfreiheit Gebrauch gemacht werden; insbesondere können nicht Teile des laufenden Arbeitslohns steuerfrei gestellt werden.
Und dann lauert bei der Berechnung noch eine weitere Falle bei der Sozialversicherung:
Bei der Ermittlung des relevanten Grundlohns unterscheiden sich die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen bei der Höhe des zu berücksichtigenden Deckels. Für lohnsteuerliche Zwecke sind die eingangs genannten 50 EUR je Stunde relevant, für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge beläuft sich der Deckel auf nur 25 EUR! Mit anderen Worten: Übersteigt der Grundlohn je Stunde den Betrag von 25 EUR, droht für gezahlte SFN-Zuschläge eine anteilige Sozialversicherungsbelastung, obwohl keine Lohnsteuer anfällt. Über die hierdurch verursachte Mehrarbeit wollen wir an dieser Stelle gar nicht sprechen.