Neues zur erbschaft-/schenkungsteuerlichen Optionsfalle
BFH: Gesonderter Antrag auf Optionsverschonung für jede betriebliche Einheit möglich
Die erbschaft- und schenkungsteuerliche Begünstigung für die Übertragung von Betriebsvermögen kennt verschiedene Ausprägungen. Während bei der sog. „Regelverschonung“ der Betrieb bei der Berechnung der Erbschaft-/Schenkungsteuer zu 85 % außer Ansatz bleibt, wird bei der „Vollverschonung“ auf Grund der Erfüllung von strengeren Voraussetzungen eine vollständige Steuerbefreiung gewährt. Streitig war bisher, ob bei der gleichzeitigen Übertragung mehrerer betrieblicher Einheiten auf den gleichen Erwerber beide Ausprägungen nebeneinander zur Anwendung kommen können. Der Bundesfinanzhof (BFH) nahm hierzu nun mit Urteil vom 26.07.2022 – II R 25/20 Stellung.
Problemstellung
Nach dem bis zum 30.06.2016 geltenden Erbschaftsteuerrecht wurde die Regelverschonung i. H. v. 85 % gewährt, wenn – neben anderen Voraussetzungen – das sog. Verwaltungsvermögen (= als nicht begünstigungswürdig angesehene Wirtschaftsgüter) nicht mehr als 50 % des gemeinen Werts des übergehenden Betriebsvermögens ausmachte. Für die Optionsverschonung i. H. v. 100 % durfte diese Verwaltungsvermögensquote 10 % nicht übersteigen. Bei der gleichzeitigen Übertragung mehrerer betrieblicher Einheiten auf den gleichen Erwerber ermittelte die Finanzverwaltung die Verwaltungsvermögensquoten jeweils gesondert. Der anschließende Antrag auf Optionsverschonung konnte laut strittiger Auffassung der Finanzverwaltung jedoch nur einheitlich für alle betrieblichen Einheiten gestellt werden. Es war also nicht möglich, dass gleichzeitig für einen Betrieb die Regelverschonung und für einen anderen Betrieb die Optionsverschonung zur Anwendung kam. Erfüllte bei der Stellung eines einheitlichen Optionsantrags ein Betrieb die Voraussetzungen für die Regel-, aber nicht für die Optionsverschonung, wurde für diesen dennoch keine Verschonung – auch keine Regelverschonung – gewährt (sog. Optionsfalle).
Sachverhalt
Die Klägerin erwarb im Jahr 2010 Anteile an vier Kommanditgesellschaften mittels Schenkung von ihrer Mutter. Sie stellte einen einheitlichen Antrag auf Optionsverschonung für alle vier Kommanditanteile. Das Finanzamt ermittelte daraufhin für jede Gesellschaft die Verwaltungsvermögensquote separat. Während alle Gesellschaften die Voraussetzungen für die Regelverschonung erfüllten (Verwaltungsvermögensquote < 50 %), waren nur bei drei der vier Gesellschaften die Voraussetzungen für die Optionsverschonung (Verwaltungsvermögensquote < 10 %) erfüllt. Das Finanzamt gewährte deshalb für einen Mitunternehmeranteil weder Options- noch Regelverschonung. Hiergegen richtete sich nun die Klage.
Urteilsbegründung
Der BFH stellte zunächst fest, dass der Gesetzeswortlaut sowohl hinsichtlich der Behaltensregeln als auch hinsichtlich der Ermittlung des Verwaltungsvermögens auf den einzelnen Betrieb abstelle. Dementsprechend sei die Ermittlung der Verwaltungsvermögensquoten gesondert für jeden Betrieb durchzuführen. Hieraus folgerte das Gericht, dass es systemwidrig sei, falls die Stellung des Antrags auf Optionsverschonung nur einheitlich für alle Betriebe möglich wäre. Wenn die Verwaltungsvermögensquoten separat zu ermitteln seien, müsse auch für jede betriebliche Einheit ein separater Antrag auf Optionsverschonung möglich sein. Das Gesetz biete keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Optionsantrag nur einheitlich gestellt werden könne. Werde jedoch ein Optionsantrag für eine betriebliche Einheit gestellt, die die Voraussetzungen für die Optionsverschonung nicht erfülle, so sei für diese Einheit weder die Options- noch die Regelverschonung zu gewähren. Insoweit wird die restriktive Auffassung der Finanzverwaltung also bestätigt.
Praxishinweis
Zuletzt stellte das FG München mit Urteil vom 28.04.2021 fest, dass der Antrag auf Optionsverschonung nur bis zur materiellen und formellen Bestandskraft des Erbschaft-/Schenkungsteuerbescheids gestellt werden kann (vgl. FALK Newsletter 02|2022). Dies ist auch zukünftig von Bedeutung, da auf Grund des vorliegenden BFH-Urteils eine möglichst späte Antragstellung vorteilhaft ist. Wird der Optionsantrag früh gestellt, besteht eine größere Gefahr, dass die Voraussetzungen für die Optionsverschonung nicht erfüllt werden können und die Begünstigung insgesamt verloren geht.
Zurückweisung der Revision
Unter Berücksichtigung der zuvor dargestellten Grundsätze wies der BFH die Revision zurück. Der Optionsantrag der Klägerin sei so auszulegen, dass er sich auch auf den Kommanditanteil mit der Verwaltungsvermögensquote von mehr als 10 % bezieht. Hierfür spreche die Argumentation der Klägerin, dass bei einheitlicher Antragstellung auch die Verwaltungsvermögensquote einheitlich zu ermitteln sei. Dies impliziere, dass sie davon ausging, dass sie einen einheitlichen Antrag für alle Kommanditanteile gestellt hatte. Dementsprechend sei für den betreffenden Kommanditanteil weder Regel- noch Optionsverschonung zu gewähren.
Fazit
Das BFH-Urteil ist mit Blick auf die Möglichkeit zur separaten Stellung eines Antrags auf Optionsverschonung für jede betriebliche Einheit ausdrücklich zu begrüßen. Da auch im aktuellen Erbschaftsteuerrecht zwischen Regel- und Optionsverschonung unterschieden wird, sollte das Urteil auch auf die aktuelle Rechtslage anwendbar sein.
Aber Achtung: Bei der Stellung eines Antrags auf Optionsverschonung wird die Optionsfalle – nach der Sanktionierung durch den BFH – auch zukünftig zu berücksichtigen sein. Sollten die Voraussetzungen für die Optionsverschonung trotz Antragstellung nicht gegeben sein, ist der Übergang des Betriebs voll erbschaft-/schenkungsteuerpflichtig.