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Regelungen zur Mindestgewinnbesteuerung sind verfassungsgemäß …

… so die lang erwartete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

‚Gut Ding will Weile haben‘ – an dieses alte Sprichwort aus dem 17. Jahrhundert hat sich offensichtlich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gehalten und nach 11 (!) Jahren Bedenkzeit die Vorlage des Bundesfinanzhofs vom Februar 2014 zur sog. Mindestgewinnbesteuerung beantwortet. Mit seinem Beschluss vom 23.07.2025 – 2 BvL 19/14 kommt das BVerfG aus Sicht des betroffenen Klägers allerdings leider zum Ergebnis, dass die entsprechenden gesetzlichen Regelungen mit dem Grundgesetz in Einklang stehen.


Hintergrund: Was bedeutet Mindestgewinnbesteuerung?

Ab dem Jahr 2004 wurde die Verrechnung von Verlustvorträgen dahingehend erheblich eingeschränkt, dass sowohl bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer als auch bei der Gewerbesteuer Gewinne nachfolgender Jahre nicht vollumfänglich um die Verlustvorträge gekürzt werden dürfen. (Nur) bis zu einem Sockelbetrag von EUR 1 Mio. dürfen die Gewinne vollständig um Verlustvorträge gekürzt werden (sog. Mittelstandskomponente). Darüber hinausgehende Gewinne dürfen jedoch nur noch mit einem Anteil von 60 % um nach Abzug des Sockelbetrags verbleibende Verlustvorträge gekürzt werden. Es verbleibt somit ein ‚Mindestgewinn‘, der der Besteuerung unterliegt.

Praxishinweis

Ein einfaches Beispiel aus der Praxis: Ende des Jahres 0 weist eine GmbH einen steuerlichen Verlustvortrag von EUR 2 Mio. aus; im Folgejahr 1 fällt ein betragsmäßig entsprechender Gewinn von EUR 2 Mio. an. Verrechenbar im Jahr 1 sind jedoch nur (EUR 1 Mio. + 60 % x EUR 1 Mio. =) EUR 1,6 Mio. – mit anderen Worten: Der verbleibende Gewinn von T-EUR 400 unterliegt der Körperschaft- und Gewerbesteuer (ca. T-EUR 120, je nach Hebesatz). Der verbleibende Verlustvortrag wird in die Zukunft geschoben – in Anbetracht der daraus resultierenden Liquiditäts- und Zinsnachteile ein unbefriedigendes Ergebnis.


Hinweis: Für die Jahre 2024-2027 sind - allerdings nur - für die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer 70 % des Gewinns (statt 60 %) für den Verlustabzug nutzbar.

Verschärft wird die Situation, wenn eine Verrechnung mit zukünftigen Gewinnen nicht mehr (vollständig) möglich ist – beispielsweise, weil die Gesellschaft aufgelöst wird oder infolge eines Verkaufs die Verlustvorträge wegen § 8c KStG untergegangen sind – und die Verluste somit ‚definitiv‘ werden.

 

Der konkrete Fall

Dieses Problem stellte sich auch in dem Sachverhalt, der der Vorlage des BFH zugrunde lag. Infolge eines sich anschließenden Insolvenzverfahrens liefen die vorgetragenen Verluste ins Leere bzw. wurden zu ‚Definitivverlusten‘. Zusätzlich verschärft wurde die Situation dadurch, dass die Verluste im überwiegenden Umfang aus der Wertberichtigung einer vom Schuldner bestrittenen Forderung resultierten. Nach einem erfolgreichen (zivilrechtlichen) Klageverfahren, in dem der Schuldner zur Zahlung verurteilt worden war, wurde die Wertberichtigung im nachfolgenden Jahresabschluss ertragswirksam aufgelöst (sog. Umkehreffekt). Aufgrund der Mindestgewinnbesteuerung konnte der – überwiegend aus der Wertberichtigung resultierende -Verlustvortrag von immerhin rd. EUR 72 Mio. nur im Umfang von rd. EUR 47 Mio. verwertet werden; der verbleibende Gewinn von rd. EUR 30 Mio. (im Wesentlichen aus der Auflösung der Wertberichtigung) musste versteuert werden. Infolge des Erlöschens der Gesellschaft nach Abschluss des Insolvenzverfahrens verblieb ein ungenutzter Verlustvortrag von EUR 25 Mio.(!).


Der BFH hatte große Bedenken, ob dieses durch die Mindestgewinnbesteuerung verursachte Ergebnis mit dem Grundgesetz in Einklang steht und insbesondere nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG verstoßen könnte.


Und so sieht es das BVerfG

Aus Sicht der betroffenen Gesellschaft kommt das BVerfG leider zum Schluss, dass mögliche Ungleichbehandlungen nicht willkürlich sind, sondern durch sachliche Gründe gerechtfertigt werden. Angeführt wird die ‚kontinuierliche und gegenwartsnahe Besteuerung als besonderem Fiskalzweck‘. Dies soll nach den Erkenntnissen des BVerfG auch bei Eintreten des zuvor erläuterten Definitiveffekts gelten – und zwar selbst dann, wenn der Definitiveffekt nach Eintritt des beschriebenen ‚bilanzsteuerlichen Umkehreffekts‘ entsteht. Dies sei alles abgedeckt durch die Befugnis des Gesetzgebers zur Typisierung!


Da die durch die besonderen Wirkungen der Mindestgewinnbesteuerung eintretenden Härten nicht mehr als eine nur verhältnismäßig kleine Zahl von Körperschaftsteuersubjekten bzw. Gesellschaften betreffen und auch das (qualitative) Ausmaß als nur gering einzuschätzen sei, sieht das BVerfG keine Probleme bei der Anwendung der Normen zur Mindestgewinnbesteuerung.

Fazit

Auch wenn die finanziellen Belastungen im Einzelfall noch so gravierend sind, sind die Wirkungen der Mindestgewinnbesteuerung nach der Vorstellung des BVerfG in sämtlichen ausgefallenen Konstellationen hinzunehmen. Dass hierbei die Argumentationslinien des BVerfG aus unserer Sicht nicht durchgehend stringent sind, wenn einerseits der Fiskalzweck der Norm bemüht wird, andererseits aber auf den geringen Umfang der relevanten Fälle abgestellt wird, hilft den betroffenen Gesellschaften leider auch nicht weiter.

Praxishinweis

Die Praxis wird sich jedenfalls darauf einstellen müssen, dass der seit mehr als 10 Jahren glimmende Hoffnungsschimmer im Hinblick auf die Mindestgewinnbesteuerung nun endgültig erloschen ist. Die Entscheidung betrifft zwar formal das Körperschaftsteuerrecht (weil zu einer Gesellschaft ergangen). Es ist jedoch kaum vorstellbar, dass für einkommensteuerpflichtige natürliche Personen ein günstigeres Urteil gefällt würde.

Gerd Fuhrmann

Steuerberater

E-Mail:
gerd.fuhrmann@falk-co.de


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