Rückabwicklung einer Anteilsübertragung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage
Selten anerkannt, aber nicht ausgeschlossen
Glück gehabt – so kann man den Fall zusammenfassen, der Gegenstand der BFH-Entscheidung vom 09.05.2025 – IX R 4/23 war. Glück hatten sowohl die betroffenen Eheleute als Kläger des Verfahrens, gleichfalls aber auch der Berufskollege, der als steuerlicher Berater für die streitgegenständliche Gestaltung durch die Kläger mandatiert war. Der Fall spielt im Umfeld Güterstandsschaukel, Zugewinnausgleich durch Übertragung einer qualifizierten GmbH-Beteiligung sowie deren Rückabwicklung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage – und wichtig: Die Entscheidung betrifft nicht die Schenkungsteuer, sondern die Einkommensteuer.
Hintergrund: Güterstandsschaukel
Die Güterstandsschaukel ist ein gängiges Gestaltungsmodell, um signifikante Vermögenswerte zwischen Eheleuten zu übertragen, die im gesetzlichen Güterstand der sog. Zugewinngemeinschaft leben – ohne dass im günstigsten Fall (jenseits der persönlichen Freibeträge) Schenkungsteuer anfällt. Voraussetzung ist, dass die Zugewinngemeinschaft durch Ehevertrag beendet wird, mit der Folge, dass dem Ehegatten mit dem geringeren Zugewinn an Vermögen während der Ehe ein entsprechender Ausgleichsanspruch zusteht. Erfüllt werden kann dieser Anspruch in bar, aber auch durch Übertragung von Vermögenswerten (wie bspw. wertvolle Grundstücke oder Beteiligungen). Falls gewünscht, kann von der nun bestehenden Gütertrennung durch einen weiteren Ehevertrag für die Zukunft wieder zur Zugewinngemeinschaft zurück ‚geschaukelt‘ werden.
Vergesst die Einkommensteuer nicht!
Da der wesentliche Vermögenszuwachs nicht selten in Sachwerten gebunden ist, werden signifikante Ausgleichsansprüche häufig durch die Übertragung solcher Sachgüter bedient. An dieser Stelle kommt die Einkommensteuer ins Spiel, da die entgeltliche Übertragung von Beteiligungen, Wertpapieren oder Grundstücken regelmäßig oder zumindest unter bestimmten Bedingungen beim übertragenden Ehegatten (einkommen-) steuerpflichtige Einkünfte auslösen kann. Dass die Erfüllung des zivilrechtlichen Anspruchs auf Zugewinnausgleich durch Übertragung von Sachwerten als entgeltlicher Vorgang zu werten ist, hatte der BFH bereits vor vielen Jahren entschieden und nun nochmals ausdrücklich bestätigt.
Der aktuelle BFH-Fall
Die Besonderheit des aktuellen Falles bestand darin, dass die beteiligten Ehegatten ob der steuerlichen Folgen - außerhalb der Schenkungsteuer – unsicher waren und deshalb ihren steuerlichen Berater im Vorfeld des Abschlusses des Ehevertrags kontaktierten. Geplant war, den Zugewinnausgleich im Wesentlichen durch die Übertragung einer wertvollen GmbH-Beteiligung zu erfüllen. Der Berufskollege erteilte ‚grünes Licht‘, Einkommensteuer würde nicht anfallen.
Es kam, wie es kommen musste: Das Finanzamt setzte nach Auswertung der notariellen Urkunde signifikant erhöhte Vorauszahlungen zur Einkommensteuer fest.
Die Kläger reagierten prompt und – im Nachhinein sehr clever – und schlossen eine notarielle Änderungsvereinbarung, worin der Zugewinnausgleichsanspruch, abweichend von der ursprünglichen Regelung, gestundet wurde bis zum Tode des Klägers. Gleichzeitig übertrug die begünstigte Klägerin die GmbH-Beteiligung einschließlich sämtlicher Rechte und Pflichten an den Kläger zurück. In der Präambel der Urkunde wurde expressis verbis darauf hingewiesen, dass die Ehegatten übereinstimmend die Vorstellung gehabt hatten, dass aus der Übertragung der GmbH-Anteile zur Bedienung des Ausgleichsanspruchs keine Einkommensteuer resultieren würde. Das Finanzamt ließ sich jedoch zunächst nicht von der genialen Idee beeindrucken und setzte im Rahmen der Veranlagung für das Streitjahr weiterhin Einkommensteuer für die Anteilsübertragung fest: Die Rückabwicklung stelle kein sog. rückwirkendes Ereignis dar, mit der Folge, dass die Rückübertragung im Folgejahr als gesonderter (neuer) Vorgang zu werten sei.
Sowohl das Finanzgericht als auch letztlich der BFH mit seiner Entscheidung vom 09.05.2025 gaben den Klägern recht: Die Rückübertragung der Anteile an der GmbH wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage kann im konkreten Fall steuerlich auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Übertragung zurückwirken.
Der BFH goss aber auch Wasser in das Weinglas: Die Hürden für eine steuerliche Rückwirkung sind sehr hoch. Berufen sich Parteien der steuerpflichtigen Übertragung von Vermögenswerten auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage, muss nachgewiesen werden, dass im Vorfeld des ursprünglichen Rechtsgeschäfts ein Umstand erörtert worden ist, an dessen Eintritt nach der gemeinsamen Vorstellung der Parteien die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts geknüpft ist. Mit anderen Worten: Potenzielle Überraschungen dürfen nicht nur in den Risikobereich einer Partei fallen.
Vorliegend war bereits vom Finanzgericht in der ersten Instanz akzeptiert worden, dass das Risiko der Einkommensteuerbelastung aufgrund der Zusammenveranlagung beide Ehegatten betrifft und die schenkungsteuerlichen Vorteile aufgezehrt wurden.
Praxishinweis
So positiv die Entscheidung auch klingen mag, öffnet sie nicht die Tür, das ‚versehentliche‘ Bewirken eines (einkommen-)steuerpflichtigen Veräußerungsgeschäfts heilen zu können. Wird bspw. ein Grundstück innerhalb der 10-Jahresfrist an eine dritte Person veräußert, ohne dass man die Steuerpflicht im Blick hatte, ist nur die Risikosphäre einer Partei betroffen, nämlich des Verkäufers. Eine (rückwirkende) Rückgängigmachung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage kommt nicht in Betracht.
Die Anerkennung der Rückabwicklung wird auch in der Zukunft der Ausnahmefall bleiben. Um die Chance zu wahren, sollte man jedenfalls vorsorglich in der entsprechenden Urkunde die besonderen Beweggründe festhalten, unabhängig davon, dass der BFH die Anerkennung der Rückwirkung nicht allein an die Fixierung der relevanten Umstände im Vertrag knüpft.
