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Sind Aussetzungszinsen verfassungsgemäß?

BFH bezweifelt die Verfassungsmäßigkeit und ruft das BVerfG an.

Die rechtliche Diskussion über die Höhe der Aussetzungszinsen nach der Abgabenordnung (AO) nimmt weiter Fahrt auf. Während u. a. das FG Düsseldorf (Beschluss vom 24.01.2023 – 12 V 1597/22 A(AO)) und das FG München (Entscheidung vom 07.09.2022 – 15 K 358/22) keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Höhe der Aussetzungszinsen hegten, hielten die Richter des VIII. Senats des BFH in einem aktuellen Verfahren den Zinssatz für die Zinsen bei Aussetzung der Vollziehung für Zeiträume ab 2019 mit Art. 3 Abs. 1 GG für unvereinbar. Nun wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eingeholt.


Hintergrund der Zinssatzanpassung

Im Zuge einer umfassenden Reform der Abgabenordnung senkte der Gesetzgeber den Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach § 233a AO ab Januar 2019 auf 0,15 % pro Monat (1,8 % jährlich). Diese Anpassung war eine Reaktion auf die anhaltend niedrigen Marktzinsen und die Entscheidung des BVerfG, das den zuvor geltenden Zinssatz von 0,5 % als verfassungswidrig einstufte. Im Gegensatz dazu blieb der Zinssatz für andere Zinstatbestände, wie beispielsweise Aussetzungszinsen (§ 237 AO), unverändert bei 0,5 % pro Monat (also 6 % jährlich), was zu einer signifikanten Spreizung der Zinssätze führte.


Aussetzungszinsen können anfallen, wenn die Vollziehung eines Steuerbescheids im Rahmen eines Rechtsbehelfsverfahrens antragsgemäß vom Vollzug ausgesetzt wurde. Dem betroffenen Steuerbürger wird also insoweit zunächst einmal zusätzlicher Rechtsschutz gewährt, als er bis zur Entscheidung des Rechtsbehelfs einen Zahlungsdispens erhält. Der „Preis“ für den Zahlungsaufschub sind zu erhebende (Aussetzungs-)Zinsen, soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage endgültig erfolglos geblieben sind.


Der aktuelle Streitfall

Der BFH befasste sich kürzlich mit einem Fall (Beschluss vom 08.05.2024 – VIII R 9/23), in dem ein Steuerpflichtiger Aussetzungszinsen für einen Zeitraum von 78 Monaten zahlen musste. Die Zinsen summierten sich auf über 9.000 EUR für die Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag. Der Kläger argumentierte, dass der Zinssatz für Aussetzungszinsen seit dem 1. Januar 2019 verfassungswidrig sei, da er im Vergleich zu den reduzierten Zinssätzen für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen unverhältnismäßig hoch sei.


Das Finanzgericht Münster hatte zuvor entschieden, dass die Höhe der Aussetzungszinsen nicht verfassungswidrig sei. Der BFH vertritt hingegen die Auffassung, der Zinssatz verstoße möglicherweise gegen Art. 3 GG, da er eine unverhältnismäßige Belastung darstelle, insbesondere in einer Zeit anhaltend niedriger Zinsen. Im Übrigen führe der aktuelle Zinssatz zu einer Ungleichbehandlung im Vergleich zu den reduzierten Zinssätzen nach § 233a AO, da Steuerpflichtige, die Steuerzahlungen zunächst aussetzen, im Vergleich zu denen, bei denen Nachzahlungszinsen entstehen, benachteiligt würden. Auch wenn der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ein bewusst eingegangenes Risiko darstelle, sollten die Zinsen lediglich den Liquiditätsvorteil abdecken und keine darüber hinausgehende Belastung bewirken. Der BFH rief daher das Bundesverfassungsgericht an, um die Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes überprüfen zu lassen.

 

Zukünftige Entwicklungen

Bis zu einer Entscheidung des BVerfG können Jahre vergehen. In Zukunft könnte durch Kopplung der Zinssätze an den Basiszinssatz Unsicherheiten vermieden und eine gerechte Behandlung aller Verzinsungstatbestände gewährleistet werden. Eine solche Anpassung könnte ferner helfen, langwierige rechtliche Auseinandersetzungen über die Angemessenheit der Zinssätze zu verhindern und die steuerliche Praxis zu vereinfachen.

Praxishinweis

Bis zur Klärung durch das BVerfG sollten Steuerpflichtige gegen Zinsbescheide, die Aussetzungszinsen (aber auch Stundungs-, Hinterziehungs- und Prozesszinsen) betreffen, für die Jahre ab 2019 Einspruch einlegen und das Ruhen des Verfahrens wegen des beim BVerfG anhängigen Verfahrens beantragen. Zudem kann im Zuge des Einspruchs ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der ab 2019 strittigen Zinszahlungen in Erwägung gezogen werden, dem zumindest bei strittigen Aussetzungszinsen auch entsprochen werden sollte.

 

Diese Maßnahmen helfen, sich gegen mögliche Verfassungswidrigkeiten abzusichern und die Zinszahlungen zu vermeiden, bis eine endgültige Entscheidung vorliegt. Durch die Aussetzung der Vollziehung der strittigen Zinsen entstehen keine zusätzlichen Kostenrisiken. Da es sich bei diesen Zinsen um sog. steuerliche Nebenleistungen handelt, unterliegen sie selbst nicht der abgabenrechtlichen Verzinsung nach der AO.

Sofia Winter

Assistentin der Steuerberatung

E-Mail:
sofia.winter@falk-co.de


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