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Sozialversicherungsrechtlicher Status eines Gesellschafter-Geschäftsführers – ein Dauerbrenner

Besonders spannend bei einer paritätischen Zwei-Personen GmbH

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sind Gesellschafter-Geschäftsführer, die eine Beteiligung von 50 % aufweisen oder – bei einer geringeren Beteiligung – über eine umfassende Sperrminorität im Gesellschaftsvertrag verfügen, für Zwecke der Sozialversicherung nicht abhängig beschäftigt (BSG, Urt. v. 13.12.2022 – B 12 R 3/21 R). Eine aktuelle Entscheidung des Sozialgerichts Neubrandenburg bringt neue Unruhe für die Konstellation der paritätischen Beteiligung der beiden Gesellschafter-Geschäftsführer an ihrer GmbH.


Sozialgericht Neubrandenburg, Gerichtsbescheid vom 10.09.2024 – S 7 BA 7/23

Gemäß der Entscheidung des Sozialgerichts (SG) Neubrandenburg ist ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer aus zwei Personen bestehenden GmbH, der 50 % der Anteile am Stammkapital hält, nur dann selbständig, wenn ihm gegenüber dem anderen Gesellschafter bei Stimmengleichheit (Pattsituation) ein im Gesellschaftsvertrag verankertes Stichentscheidsrecht zusteht. Ist das nicht der Fall, sei der Gesellschafter-Geschäftsführer abhängig beschäftigt und auf sein Arbeitsentgelt seien somit Sozialversicherungsbeiträge abzuführen.


Nach Auffassung des SG Neubrandenburg ist bei einem im Falle einer Pattsituation fehlenden Stichentscheidsrecht nur eine bloße Verhinderungsmacht des Gesellschafter-Geschäftsführers gegeben. Erforderlich sei jedoch für die Annahme einer Selbständigkeit eine kraft Gesellschaftsvertrag herzuleitende umfassende Gestaltungsmacht im Sinne einer Mitbestimmung der gesamten Unternehmenspolitik.


Unser Kommentar

Die Entscheidung des SG Neubrandenburg überzeugt im Ergebnis sowie in wesentlichen Teilen ihrer Begründung nicht. Zwar zitiert das SG Neubrandenburg die einschlägige Rechtsprechung des BSG. Jedoch steht die Entscheidung des SG Neubrandenburg mit dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht im Einklang. Vielmehr vermengt das SG Neubrandenburg die vom BSG aufgestellten Voraussetzungen für die Annahme der selbständigen Tätigkeit im Falle eines Gesellschafter-Geschäftsführers mit denen, die bei einem mitarbeitenden Gesellschafter ohne Geschäftsführerstellung gelten.


Nach der Rechtsprechung des BSG muss ein Gesellschafter, der im Unternehmen mitarbeitet, ohne Geschäftsführer zu sein, grundsätzlich über mehr als 50 % der Geschäftsanteile verfügen, um als selbstständig tätig eingestuft zu werden. Denn nur mit einer Mehrheit in der Gesellschafterversammlung sei es ihm möglich, Einfluss auf die gewöhnliche Geschäftsführung zu nehmen – z. B. mittels Weisung an den Geschäftsführer oder ggf. mittels dessen Abberufung (BSG, Urt. v. 13.12.2022 – B 12 KR 16/20 R). Eine Beteiligung von genau 50 % oder eine geringere Beteiligung mit einer im Gesellschaftsvertrag verankerten Sperrminorität reichten insoweit grundsätzlich nicht aus. Denn auf Grundlage einer solchen Beteiligung würde der mitarbeitende Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung gegen den Willen der übrigen Gesellschafter allenfalls bestimmte Weisungen an den Geschäftsführer verhindern können. Wie der Geschäftsführer konkret handeln soll, könne der mitarbeitende Gesellschafter damit hingegen nicht beeinflussen. Hierfür benötige er eine seinen Vorstellungen entsprechende Weisung in Form eines Gesellschafterbeschlusses.


Anders liegt der Fall aber bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer. Dieser verfügt aufgrund seiner Stellung als Geschäftsführer über die Befugnis und zugleich Verpflichtung, die Geschicke des Unternehmens wesentlich mitzubestimmen. Zwar sind Geschäftsführer weisungsgebunden gegenüber der Gesellschafterversammlung. Bei einer Beteiligung von 50 % oder einer geringeren Beteiligung, die eine umfassende Sperrminorität vermittelt, liegt mit der Rechtsprechung des BSG (BSG, Urt. v. 13.12.2022 – B 12 R 3/21 R) jedoch eine Rechtsmacht vor, die ausreicht, um diese Weisungsgebundenheit aufzuheben oder zumindest erheblich abzuschwächen. In Verbindung mit seiner organschaftlichen Führungsfunktion kann der Gesellschafter-Geschäftsführer die Geschicke der Gesellschaft somit grundsätzlich frei lenken, soweit keine entgegenstehende Weisung durch die Gesellschafterversammlung erteilt wird. 

Fazit

Diesen grundlegenden Unterschied zwischen Gesellschafter-Geschäftsführer und mitarbeitendem Gesellschafter hat das SG Neubrandenburg verkannt. Es bleibt dennoch abzuwarten, wie sich die weitere sozialgerichtliche Rechtsprechung entwickelt.

 

Vor diesem Hintergrund wird im Sinne einer Rechtsklarheit und Rechtssicherheit empfohlen, die sozialversicherungsrechtliche Situation zu prüfen und ggf. einen Antrag auf Statusfeststellung bei der zuständigen Behörde (Deutsche Rentenversicherung Bund) zu stellen.

Dominik Gallini

Rechtsanwalt Melchers - Fachanwalt für Arbeitsrecht

Zertifizierter Fachberater für betriebliche Altersversorgung (BRBZ e.V.)

E-Mail:
d.gallini@melchers-law.com


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