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Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften

Verfassungswidrigkeit der geltenden Regelung und Ausblick auf die Neuregelung

Mit Unvereinbarkeitsbeschluss vom 28.11.2023 (veröffentlicht am 12.01.2024) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Regelung des § 6 Abs. 5 EStG aufgrund eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz des § 3 Grundgesetz (GG) für mit der Verfassung unvereinbar erklärt, da die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften – abweichend von anderen Überführungs- und Übertragungsvorgängen – nicht ertragsteuerneutral möglich ist. Der Gesetzgeber hat unverzüglich eine Neuregelung mit Rückwirkung bis zum Jahr 2001 (!) zu treffen.


Regelung des § 6 Abs. 5 EStG

Nach § 6 Abs. 5 EStG erfolgt


  • die Überführung eines Wirtschaftsguts von einem (Sonder-)Betriebsvermögen in ein anderes (Sonder-)Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen,
  • die Übertragung vom Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft in ein (Sonder-)Betriebsvermögen ihres Gesellschafters oder umgekehrt, soweit sie unentgeltlich oder gegen Gewährung bzw. Minderung von Gesellschaftsrechten erfolgt, sowie
  • die unentgeltliche Übertragung zwischen den Sonderbetriebsvermögen von Gesellschaftern bei derselben Personengesellschaft


steuerneutral unter Buchwertfortführung, d. h. ohne Aufdeckung von ggf. vorhandenen stillen Reserven. Bei Übertragungsvorgängen kommt es – anders als bei Überführungsvorgängen – zu einem Rechtsträgerwechsel und in der Regel auch einer Verlagerung zumindest eines Teils der stillen Reserven des übertragenen Wirtschaftsguts auf andere Steuerpflichtige. Die Regelung ist auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG), mit dem das Gesamthandsvermögen für rechtliche Zwecke abgeschafft wurde, weiterhin auf Übertragungen zwischen Gesellschaftern und ihrer Gesellschaft anwendbar, da für ertragsteuerliche Zwecke das Gesellschaftsvermögen fortan als Gesamthandsvermögen fingiert wird.


Übertragung zwischen Schwesterpersonengesellschaften

Ob eine entsprechende Anwendung des § 6 Abs. 5 EStG auch auf den vom Wortlaut der Regelung nicht erfassten Fall der Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften möglich ist, wenn diese unentgeltlich oder gegen Gewährung bzw. Minderung von Gesellschaftsrechten erfolgt, ist seit langem – auch zwischen verschiedenen Senaten des BFH – umstritten. Der I. Senat des BFH legte schließlich im Jahr 2013 dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vor, ob § 6 Abs. 5 EStG mit Verfassungsrecht vereinbar ist. Das BVerfG entschied nunmehr – nach 10 Jahren Bedenkzeit (!) –, dass ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG vorliege, für den keine Rechtfertigungsgründe bestünden. Aufgrund der Unvereinbarkeit mit Verfassungsrecht habe der Gesetzgeber unverzüglich eine Neuregelung mit Rückwirkung bis zum Jahr 2001 zu treffen – ggf. inklusive einer Übergangsregelung. Bis zur Neuregelung sei die bisherige Fassung des § 6 Abs. 5 EStG mit der Maßgabe weiterhin anzuwenden, dass auch die Übertragung zwischen Schwesterpersonengesellschaften steuerneutral möglich sei.


Alternativen für die Neuregelung

Das BVerfG hat dem Gesetzgeber lediglich aufgetragen, den Verstoß gegen Art. 3 GG zu beseitigen. Es hat jedoch keine Aussage zum Inhalt der zu treffenden Neuregelung gemacht. Für den Gesetzgeber bestehen daher mehrere Alternativen, wie mit der Regelung des § 6 Abs. 5 EstG umgegangen werden könnte:


  • Erweiterung des Anwendungsbereichs der Regelung auf beteiligungsidentische (und ggf. auch teilweise beteiligungsidentische) Schwesterpersonengesellschaften
  • Erweiterung des Anwendungsbereichs auf Schwesterpersonengesellschaften, aber Einschränkung dahin gehend, dass die Steuerneutralität nur möglich ist, soweit keine stillen Reserven auf andere Steuerpflichtige verlagert werden


Theoretisch aber auch:

  • Einschränkung des Anwendungsbereichs der Regelung auf Überführungsvorgänge, d. h. Vorgänge ohne Rechtsträgerwechsel
  • Vollständige Abschaffung der Regelung


Steuerliche Behandlung der bis zur Neuregelung verwirklichten Übertragungs- bzw. Überführungssachverhalte

Aufgrund der vom BVerfG geforderten Rückwirkung der Neuregelung stellt sich die Frage nach der Auswirkung auf Sachverhalte, die bereits verwirklicht wurden oder bis zur Neuregelung verwirklicht werden. Bereits erfolgte Steuerfestsetzungen können aufgrund der Neuregelung nur geändert werden, wenn eine verfahrensrechtliche Änderungsmöglichkeit besteht, und aus Vertrauensschutzgründen nur zu Gunsten des Steuerpflichtigen. Ist noch keine Steuerfestsetzung erfolgt, so kommt die Neuregelung auch zu Lasten des Steuerpflichtigen zur Anwendung. Bei Verwirklichung des Sachverhalts bis zur Veröffentlichung des Urteils des BVerfG dürfte aber aus Vertrauensschutzgründen eine Übergangsregelung erforderlich sein. Anders ist dies bei Sachverhalten, die nach der Veröffentlichung des Urteils des BVerfG verwirklicht werden.

Praxishinweis

Es ist offen, ob die vom BVerfG geforderte unverzügliche rückwirkende Neuregelung zu einer Erweiterung oder einer Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 6 Abs. 5 EStG führt. Im Fall der Erweiterung des Anwendungsbereichs ergeben sich zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Umstrukturierung von Personengesellschaften. Aufgrund des Risikos der Einschränkung bietet es sich allerdings an, die Verwirklichung von Sachverhalten, die nach § 6 Abs. 5 EStG in der derzeit geltenden Fassung steuerneutral sind, bis zur Neuregelung zu verschieben. Hierbei bleibt zu hoffen, dass sich der Gesetzgeber für eine Erweiterung entsprechend der oben unter den beiden ersten Spiegelstrichen genannten Varianten entscheidet.

Dr. Jan-Markus Mai

Steuerberater

E-Mail:
jan-markus.mai@falk-co.de


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