Umsatzsteuer: BFH zur Abgrenzung Haupt- und Nebenleistung bei der Vermietung von Grundstücken
Stromlieferungen eines Vermieters an seine Mieter sind steuerpflichtig
Der EuGH hatte bereits in seinem Urteil vom 16.04.2015 – C-42/14 entschieden, dass Leistungen, die im Zusammenhang mit der Vermietung regelmäßig erbracht werden, wie Strom-, Wasser- und Wärmeversorgung, in bestimmten Fällen als eigenständige, steuerpflichtige Leistungen angesehen werden können. Dies gilt insbesondere, wenn diese Leistungen unabhängig vom Mietvertrag bereitgestellt werden und der Mieter die Möglichkeit hat, den Anbieter frei zu wählen. Der BFH hat nun in seinem Urteil vom 17.07.2024 – XI R 8/21 bestätigt, dass die Stromlieferung eines Vermieters an den Mieter als selbständige, umsatzsteuerpflichtige Leistung zu behandeln ist. Diese Einordnung beruht darauf, dass der Mieter den Stromanbieter frei wählen kann und die Abrechnung des Stromverbrauchs unabhängig vom Mietvertrag erfolgt. Auf dieser Grundlage steht dem Vermieter auch der Vorsteuerabzug für die Energieerzeugungsanlage zu.
Hintergrund
Das EuGH-Urteil von 2015 (C-42/14) stellt wichtige Abgrenzungskriterien für die Bewertung von Mietnebenleistungen auf. Hierbei wurde festgelegt, dass Mietnebenleistungen grundsätzlich getrennt von der Grundstücksüberlassung zu beurteilen sind, es sei denn, sie bilden eine untrennbare wirtschaftliche Einheit mit der Vermietung. Nach dem EuGH können Leistungen als selbständige Leistungen gelten, wenn der Mieter die Wahl hat, den Anbieter zu wechseln, und die Abrechnung separat erfolgt. Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass der deutschen Finanzverwaltung weicht jedoch von dieser Linie ab, indem er solche Leistungen häufig als unselbständige Nebenleistungen behandelt.
Sachverhalt
Im Fall des BFH-Urteils vermietet der Kläger ein Mehrfamilienhaus, wobei er zusätzlich eine Photovoltaikanlage zur Stromerzeugung für die Mieter betreibt. Der erzeugte Strom wird den Mietern über eine separate Vereinbarung mit individuellen Zählern und Abrechnung bereitgestellt. Die Zusatzvereinbarung ermöglicht es den Mietern, den Stromvertrag unabhängig vom Mietvertrag zu kündigen und gegebenenfalls zu einem anderen Anbieter zu wechseln, auch wenn dabei Umbaukosten anfallen.
Würdigung durch den BFH
Der BFH stellte fest, dass die Stromlieferung des Vermieters an seinen Mieter als eigenständige Leistung zu werten ist, da der Mieter die freie Wahl des Stromanbieters hat. Denn nach dem Energiewirtschaftsgesetz (§ 42a Abs. 2 S. 1 EnWG) ist eine Koppelung von Miet- und Stromlieferungsvertrag untersagt. Auch die getrennte Abrechnung und die Kündigungsoption des Stromvertrags, die hier Folge des Koppelungsverbots sind, sprechen für eine selbständige Leistung. Aufgrund der steuerpflichtigen Stromlieferungen ist es dem Vermieter möglich, den Vorsteuerabzug für die Photovoltaikanlage geltend zu machen, was bei einer als unselbständige (steuerfreie) Nebenleistung eingestuften Stromlieferung nicht möglich wäre.
Anders entschied der BFH (Urteil vom 07.12.2023 – V R 15/21) zum Vorsteuerabzug für die Kosten einer Heizungsanlage, da der Vermieter im entschiedenen Fall verpflichtet war, die Mieter mit Wärme und Warmwasser zu versorgen. Die Kosten für den Erwerb und die Installation einer Heizungsanlage stellen grundsätzlich Bestandteile der steuerfreien Vermietung dar, da diese nicht auf die Mieter umgelegt, sondern durch die Kaltmiete abgegolten werden.
Das Ergebnis, die Lieferung von Strom als eigenständige Leistung einzustufen, steht auch im Einklang mit dem Neutralitätsgrundsatz, da der Vermieter als Stromanbieter zu anderen Stromanbietern in Wettbewerb tritt und daher eine identische umsatzsteuerliche Behandlung erforderlich ist, um steuerlich bedingte Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden (vgl. Rn. 26 des Urteils).
Praxishinweis
Vermieter sollten darauf achten, Zusatzvereinbarungen über Mietnebenleistungen, wie z. B. Stromlieferungen aus der hauseigenen PV-Anlage, vertraglich klar und getrennt vom Mietvertrag zu gestalten. Die freie Anbieterwahl des Mieters und eine nach Verbrauch erfolgende Abrechnung sprechen für die Annahme von eigenständigen Leistungen.
Achtung: Die vom BFH entwickelte Lösung bringt aber auch gewisse Nachteile mit sich. Der gelieferte Strom muss – abweichend von der steuerfreien Wohnungsmiete – mit Umsatzsteuer abgerechnet werden; die vereinnahmten Umsatzsteuerbeträge sind beim Finanzamt anzumelden und abzuführen. Dies gilt im Übrigen auch bei neuen PV-Anlagen, für die wegen des Erwerbs zum Nullsteuersatz kein Vorsteuerabzug möglich ist. Erleichterung könnte allerdings die Kleinunternehmerregelung bringen, sofern die Grenzen eingehalten werden.