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Umsatzsteuer: Konzerngesellschaft als feste Niederlassung (umsatzsteuerliche Betriebsstätte)

Kann eine Konzerngesellschaft als feste Niederlassung eines verbundenen Unternehmens angesehen werden?

Seit 2018 hat der EuGH mehrere Entscheidungen zu den Kriterien einer festen Niederlassung getroffen, was die bestehende Rechtsunsicherheit verdeutlicht. Nachdem frühere Urteile eher zur Besorgnis Anlass gaben, dass eine Tochtergesellschaft ggf. als feste Niederlassung der Muttergesellschaft fungieren kann, neigte sich das Pendel mit neueren Urteilen, wie Berlin Chemie AG (C-333/20) und Cabot Plastics Belgium (C-232/22), wieder in die andere Richtung: Die Hürden für die Zurechnung einer Konzerngesellschaft als feste Niederlassung wurde eher heraufgesetzt.


Hintergrund

Erbringt ein Unternehmen (Dienst-)Leistungen an eine feste Niederlassung eines Kunden, so befindet sich der Leistungsort grundsätzlich dort, wo sich die feste Niederlassung befindet – und nicht am Standort der Hauptniederlassung (häufig im anderen Staat). Eine Niederlassung muss über eine feste Struktur verfügen, die aufgrund ihrer personellen und technischen Ausstattung selbständig Leistungen erbringen oder empfangen kann (Art. 11 MwStVO). Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte in der Rechtssache C-533/22 - Adient erneut darüber zu entscheiden, ob eine Konzerngesellschaft als Zweigniederlassung einer anderen Gesellschaft angesehen werden kann.


Sachverhalt

Adient Deutschland (DE) und Adient Rumänien (ROM), die beide als selbständige Konzerngesellschaften zur Adient-Gruppe gehören, haben einen Dienstleistungsvertrag: DE liefert Rohstoffe, die von ROM zu Autositzbezügen verarbeitet werden. DE bleibt während des gesamten Prozesses Eigentümer der Materialien und der fertigen Produkte. ROM übernimmt zusätzlich die Lagerung, Kontrolle und Verwaltung der Rohstoffe und unterstützt den Verkauf der Endprodukte.


ROM stellte diese Dienstleistungen ohne Mehrwertsteuer in Rechnung und ging davon aus, dass der Ort der Dienstleistung in Deutschland (Sitz von DE) liegt. Die rumänischen Behörden hingegen argumentierten, DE verfüge in Rumänien über eine feste Niederlassung, so dass die Dienstleistungen in Rumänien steuerpflichtig seien. Daraufhin wurde DE in Rumänien steuerlich (zwangs-)registriert, wogegen sich das Unternehmen wehrte und Klage erhob. Das rumänische Gericht ersuchte den EuGH um Klärung der Frage, ob unter diesen Umständen eine feste Niederlassung von Adient Deutschland in Rumänien vorliegen könne.


Würdigung des EuGH

Der EuGH hat festgestellt, dass die Zugehörigkeit zu einer Unternehmensgruppe und eine vertragliche Bindung nicht ausreichen, um eine feste Niederlassung zu begründen. Eine juristische Person nutzt ihre personellen und technischen Mittel selbständig, auch wenn sie nur einen einzigen Kunden hat. Nur wenn der Kunde die Mittel des Dienstleisters wie seine eigenen nutzen kann, kann eine feste Niederlassung vorliegen.


Der Gerichtshof unterscheidet zwischen den an DE erbrachten Dienstleistungen und der Lieferung der Endprodukte aus Rumänien. Für den Leistungsort der Dienstleistungen ist es unerheblich, dass DE in Rumänien über eine Struktur verfügt, von der aus die Auslieferung der fertigen Produkte erfolgt. DE sei hinsichtlich der Lieferungen nicht als in Rumänien ansässig anzusehen. Der EuGH stellte klar, dass die Ausstattung, die eine feste Niederlassung begründen könne, nicht mit der Ausstattung identisch sein könne, mit der Dienstleistungen an diese Niederlassung erbracht würden. Um eine feste Niederlassung zu begründen, müsse die Ausstattung des Kunden identifizierbar und von der des Dienstleistungserbringers unterscheidbar sein.

Praxishinweis

Auch in dieser Entscheidung verneint der EuGH zwar leider nicht ausdrücklich die Möglichkeit, dass ein Konzernunternehmen als feste Niederlassung eines anderen verbundenen Unternehmens angesehen werden kann. Allerdings wird der Anwendungsbereich einer solchen gesellschaftsübergreifenden Zuordnung von Ressourcen weiter eingeschränkt, was zu mehr Rechtssicherheit führt. Die Feststellung, dass die Ressourcen, die eine feste Niederlassung begründen können, nicht mit den Ressourcen identisch sein können, mit denen Dienstleistungen an diese Niederlassung erbracht werden, ist einleuchtend, aber auch banal. Denn wenn die Mittel der Konzerngesellschaft (hier Adient Rumänien) Adient Deutschland zugerechnet würden, könnte es logischerweise keinen Leistungsaustausch (also keine Dienstleistung) mehr von Adient Rumänien an Adient Deutschland geben. 

Dr. Christian Merkel

Steuerberater

E-Mail:
christian.merkel@falk-co.de


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