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Umsatzsteuer: Verrechnungspreisanpassung als Leistungsentgelt?

Auch eine variable Vergütung ist steuerbares Entgelt – sofern die Leistung klar vereinbart wurde

Der EuGH konkretisiert in seiner aktuellen Entscheidung vom 04.09.2025 – C-726/23 die umsatzsteuerliche Einordnung von Verrechnungspreisanpassungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen. Variabel vergütete, im Voraus vereinbarte und inhaltlich klar beschriebene Leistungen sind steuerbar; die Finanzverwaltung kann hierfür über die Rechnung hinaus angemessene Nachweise verlangen. Für reine Warenlieferungen – vom Urteil nicht erfasst – spricht aus systematischer Sicht vieles dafür, nachträgliche Gewinnanpassungen in der Regel als Preisänderungen der zugrunde liegenden Lieferungen zu behandeln und die Bemessungsgrundlage soweit möglich transaktionsbezogen zu berichtigen. Allerdings bleibt offen, welche Folgen es hätte, wenn neben einer Warenlieferung entsprechende Dienstleistungen vereinbart wurden.


1. Sachverhalt der Entscheidung SC Arcomet Towercranes SRL

Zwischen Arcomet Belgien und Arcomet Rumänien besteht ein Vertrag vom Januar 2012, der Aufgaben und Risiken im Konzernvertrieb von Kränen festlegt. Arcomet Rumänien kauft oder mietet die Kräne und veräußert bzw. vermietet sie weiter. Arcomet Belgien übernimmt die strategischen Funktionen – insbesondere die Lieferantensuche und Vertragsverhandlungen für Arcomet Rumänien, Qualitäts- und Sicherheitsmanagement – und trägt die wesentlichen wirtschaftlichen Risiken.


Die Vergütung der Parteien richtet sich nach der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode (OECD). Eine Vergleichbarkeitsanalyse ergab für Arcomet Rumänien einen Zielkorridor der Betriebsmarge von -0,71 % bis 2,74 %. Der Vertrag garantiert Arcomet Rumänien diese Marge und legt Folgendes fest:


  • Liegt das Ergebnis innerhalb des Korridors, erfolgt keine Vergütung;
  • bei Verlusten unter -0,71 % leistet Arcomet Belgien einen Ausgleich an Arcomet Rumänien;
  • bei Gewinnen über 2,74 % zahlt Arcomet Rumänien den übersteigenden Betrag an Arcomet Belgien.


In den Streitjahren lag Arcomet Rumäniens Gewinn jeweils über 2,74 %. Arcomet Belgien stellte daraufhin Ausgleichsbeträge in Rechnung, die Arcomet Rumänien teils im Reverse-Charge-Verfahren erklärte und hierfür Vorsteuer geltend machte. Die rumänische Steuerverwaltung versagte den Vorsteuerabzug mit der Begründung, es fehle an ausreichenden Nachweisen für die Leistungserbringung und deren Verwendung für steuerpflichtige Umsätze.


2. Entscheidung des EuGH

Der Gerichtshof knüpft an den Vertrag aus 2012 an, in dem sich beide Gesellschaften wechselseitig verpflichtet haben. Arcomet Belgien erbringt konkrete Leistungen und übernimmt wesentliche Risiken; Arcomet Rumänien schuldet dafür am Jahresende eine Zahlung, die dem über 2,74 % liegenden Gewinnanteil entspricht. Damit liegt ein Rechtsverhältnis mit Austausch gegenseitiger Leistungen vor; die Zahlung ist das Entgelt für die beschriebenen Tätigkeiten, die Arcomet Rumänien einen klaren Vorteil verschaffen. Folglich besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung.


Das Argument, es gehe „nur“ um eine nach OECD-Methode berechnete Gewinnanpassung, weist der Gerichtshof zurück. Entscheidend ist die wirtschaftliche Realität des konkreten Vorgangs. Auch ein nach Verrechnungspreismethode ermittelter Betrag kann den tatsächlichen Gegenwert einer erbrachten Dienstleistung darstellen.


Die Variabilität der Vergütung ändert nichts am Entgeltcharakter. Obwohl der Betrag vom Jahresergebnis abhängt, sind die Kriterien im Vertrag vorab und genau festgelegt; die Zahlung ist weder freiwillig noch vom Zufall abhängig. Auch die im Vertrag vorgesehene umgekehrte Zahlungsrichtung für Verlustfälle nimmt dem Zusammenhang nichts; sie war im Streitfall ohnehin nicht einschlägig.


Der EuGH hält fest, dass die Steuerverwaltung zusätzliche Nachweise über die Rechnung hinaus verlangen darf, um zu prüfen, ob die in Rechnung gestellten Leistungen tatsächlich erbracht und für steuerpflichtige Umsätze verwendet wurden. Die verlangten Belege müssen erforderlich und verhältnismäßig sein; der Steuerpflichtige trägt die Beweislast und die Behörde darf auch unterstützende Unterlagen des Leistungserbringers anfordern.

Praxishinweis

Im entschiedenen Fall konnte der Jahresausgleich einer konkret vereinbarten Dienstleistung zugeordnet werden; das setzt klare – idealerweise vertragliche – Dokumentation voraus (Leistungsinhalt, Vergütungsmechanik, Nachweise, Zeitraum). In der Praxis werden bei konzerninternen Leistungen häufig am Jahresende pauschale (Verrechnungspreis-)Anpassungen erfolgen. Ob auch in diesen Fällen fortan die Ausgleichszahlung als umsatzsteuerliches Entgelt zu werten ist, wird anhand der konkreten vertraglichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten zu untersuchen sein.


Bestehen zwischen den beteiligten Gesellschaften Warenlieferungen, können nachträgliche Ausgleiche regelmäßig als Preisberichtigungen dieser Lieferungen zu behandeln sein. Erforderlich sind dann transaktions- bzw. periodenbezogene Zuordnungen und Berichtigungen der Bemessungsgrundlage.

Bei innergemeinschaftlichen Fällen sind die Erwerbsteuer/Vorsteuer korrespondierend anzupassen; bei Drittlandbezug sind mögliche Auswirkungen auf den Zollwert zu prüfen. Unsere Umsatzsteuer- und Verrechnungspreisexperten unterstützen Sie gerne.

Dr. Christian Merkel

Steuerberater

E-Mail:
christian.merkel@falk-co.de


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