Unterliegt die Abfindung für den Verzicht eines Ehegatten auf nacheheliche Ansprüche der Schenkungsteuer?
BFH unterscheidet zwischen steuerbarer „Pauschalabfindung“ oder nicht steuerbarer „Bedarfsabfindung“
In Eheverträgen ist oftmals geregelt, dass ein Ehegatte auf ihm grundsätzlich zustehende familienrechtliche Ansprüche (wie z. B. nachehelichen Unterhalt) verzichtet und dafür vom anderen Ehegatten eine Abfindung erhält. Aber Achtung: Je nach konkreter Ausgestaltung besteht das Risiko, dass durch die Zahlung der Abfindung Schenkungsteuer ausgelöst wird. Wie ein neues BFH-Urteil zeigt, hängt die Steuerpflicht entscheidend davon ab, ob eine sog. Pauschalabfindung (steuerbar) oder eine sog. Bedarfsabfindung (nicht steuerbar) vorliegt.
BFH-Urteil vom 17.10.2007: Steuerbare Pauschalabfindung
Nach einem älteren Urteil vom 17.10.2007 - II R 53/05 ist eine zu Beginn der Ehe geleistete Ausgleichszahlung für einen ehevertraglich vereinbarten Teilverzicht auf nachehelichen Unterhalt als steuerbare Schenkung zu beurteilen. Begründung: Gegenleistungen, die nicht in Geld veranschlagt werden können, bleiben bei der Prüfung der Bereicherung des Begünstigten unberücksichtigt. Hierzu zählt der BFH auch den Verzicht auf Ansprüche, die in Zukunft möglicherweise erst entstehen. Der Teilverzicht auf nachehelichen Unterhalt stellt somit keine Gegenleistung dar, die die Bereicherung mindert.
BFH-Urteil vom 01.09.2021: Nicht steuerbare Bedarfsabfindung
Zu einem anderen Ergebnis kam der BFH im Urteil vom 01.09.2021 - II R 40/19: Hiernach liegt keine steuerbare Schenkung vor, wenn zukünftige Eheleute die Rechtsfolgen ihrer Eheschließung umfassend individuell regeln und für den Fall der Beendigung der Ehe Zahlungen eines Ehepartners in einer bestimmten Höhe vorsehen, die (erst) zum Zeitpunkt der Ehescheidung zu leisten sind. Im Streitfall war ein Vertrag abgeschlossen worden, der nach Art eines Gesamtpakets alle Scheidungsfolgen regelte. Der Zahlungsanspruch sollte bei einer Ehedauer von 15 Jahren in voller Höhe bestehen, ansonsten zeitanteilig. Lt. BFH wurde keine pauschale Abfindung ohne Gegenleistung erbracht, vielmehr sei die Zahlung erst im Fall der Scheidung – im „Bedarfsfall“ - zur Abgeltung verschiedener familienrechtlicher Ansprüche geleistet worden. Die Finanzverwaltung hat das Urteil allerdings mit einem Nichtanwendungserlass belegt, d.h. die Entscheidung wird nicht über den entschiedenen Fall hinaus angewendet.
BFH-Urteil vom 09.04.2025: Steuerbare Pauschalabfindung
Im aktuellen Urteil vom 09.04.2025 - II R 48/21 hat der BFH wiederum eine steuerbare Pauschalabfindung angenommen, weil ein Ehegatte bereits vor der Heirat für den Verzicht auf etwaig entstehende Ansprüche (u. a. nachehelichen Unterhalt) ein Grundstück erhielt. Eine Bedarfsabfindung (Zahlung ist an die Beendigung der Ehe geknüpft und erfolgt zur Erfüllung der vorab getroffenen Vereinbarung, deshalb „Ausgleich aller Interessensgegensätze“ bzw. Gegenleistung) liege hier nicht vor. Da die Abfindung im Streitfall – pauschal - vor der Eheschließung gezahlt wurde, sei die Gegenleistung (Verzicht auf möglicherweise entstehende Ansprüche) ungewiss und könne nicht berücksichtigt werden. Damit stelle die Abfindung eine objektiv unentgeltliche Zuwendung (Schenkung) dar. Bei der Annahme des späteren Ehemanns, dass der voreheliche Verzicht seiner Partnerin eine steuermindernde Gegenleistung sei, handelt es sich lt. BFH um einen unbeachtlichen Irrtum, sodass es bei der Steuerbarkeit der Abfindung bleibt.
Praxishinweis
Auch Zuwendungen zwischen Ehegatten können steuerbare Schenkungen darstellen. Es ist ein in der Praxis häufig anzutreffender Irrglaube, Zuwendungen zwischen Ehegatten seien schenkungsteuerlich ohne Bedeutung. Es kommt daher oftmals zu Vermögensverschiebungen zwischen den Ehegatten („verdeckte Zuwendungen“), die schenkungsteuerlich relevant sein können. Wie die BFH-Rechtsprechung zeigt, können dazu auch Abfindungen für den Verzicht auf familienrechtliche Ansprüche gehören, obwohl die Ehegatten (irrtümlicherweise) davon ausgegangen sind, dass sich der Verzicht und die hierfür gezahlte Abfindung in einem Austauschverhältnis bewegen. Zwar gilt für steuerbare Zuwendungen zwischen Ehegatten ein persönlicher Freibetrag in Höhe von EUR 500.000 (aber nur ein Mal für alle Zuwendungen innerhalb von 10 Jahren). Je nach Einkommens- und Vermögenssituation ist dieser Freibetrag schnell überschritten.
Abfindungen, die vor Beginn der Ehe pauschal für möglicherweise entstehende Ansprüche geleistet werden, sind in jedem Fall steuerbar und führen zum Verbrauch des Freibetrags. Soweit der Freibetrag überschritten ist, entsteht Steuerpflicht. Erst im „Bedarfsfall“ (Zeitpunkt der Ehescheidung) gezahlte Abfindungen sind dagegen bei entsprechender vertraglicher Ausgestaltung („Gesamtpaket“) nach der Rechtsprechung nicht steuerbar und verbrauchen damit nicht den Freibetrag. Dies sollte bei der Ausgestaltung eines entsprechenden Vertrags unbedingt beachtet werden. Da die Finanzverwaltung die Rechtsprechung zur Bedarfsabfindung nicht allgemein anwendet, muss deren Nichtsteuerbarkeit aber möglicherweise im Wege eines Klageverfahrens durchgesetzt werden.
