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Update Grundsteuer – Neues zur möglichen Verfassungswidrigkeit

Der Bundesfinanzhof (BFH) nimmt erstmalig Stellung zum Bundesmodell

Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2018 die bisher für Zwecke der Grundsteuer maßgebliche Einheitsbewertung als verfassungswidrig eingestuft hatte, mussten für die Erhebung der Grundsteuer ab dem 01.01.2025 alle Grundstücke in Deutschland flächendeckend neu bewertet werden. Die Bundesländer hatten die Wahl zwischen dem auf Bundesebene entworfenen „Bundesmodell“ oder der Entwicklung eines eigenen Bewertungsmodells. Während neun Bundesländer das Bundesmodell gewählt haben, haben sich u. a. Baden-Württemberg, Bayern und Hessen für eigene Bewertungsmodelle entschieden. Kurz nach Erlass der ersten Grundsteuerwertbescheide wurden auf Grund einer öffentlichen Debatte über die mögliche Verfassungswidrigkeit der neuen Bewertungsregeln erste Gerichtsverfahren anhängig. Anlässlich der ersten BFH-Entscheidung zu den „neuen“ Grundsteuerbewertungsregeln soll im Folgenden ein Überblick über die aktuelle Rechtsprechung gegeben werden.


BFH zum Bundesmodell

Da das FG Rheinland-Pfalz mit zwei Beschlüssen vom 23.11.2023 (Az. 4 V 1295/23 und 4 V 1429/23) Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt und ernstliche verfassungsmäßige Zweifel an den Bewertungsregeln des Bundesmodells geäußert hatte, musste nun der Bundesfinanzhof (BFH) zu diesen beiden Fällen Stellung nehmen. Die Kläger machten geltend, dass die neuen Bewertungsregeln auf Grund der weitgehenden Typisierungen in ihren Einzelfällen (keine Renovierung seit 1880, Hanglage des Grundstücks) zu einer erheblichen Überbewertung führen würden. 


Der BFH gewährte mit Beschlüssen vom 27.05.2024 (Az. II B 78/23 AdV, II B 79/23 AdV) ebenfalls Aussetzung der Vollziehung (AdV) der angegriffenen Grundsteuerwertbescheide. Er begründet diese Entscheidung damit, dass die bestehenden Bewertungsregeln des Bundesmodells verfassungsgemäß dahingehend auszulegen seien, dass für den Steuerpflichtigen die Möglichkeit bestehen muss, einen niedrigeren Wert nachzuweisen (Gutachten), wenn dieser mindestens 40 % niedriger sei als der Wert, der sich laut Bundesmodell ergebe. Auch wenn diese Nachweismöglichkeit nicht explizit im Gesetzeswortlaut vorgesehen sei, würde sie sich bereits aus dem im Grundgesetz verankerten Übermaßverbot ergeben. 

Praxishinweis

Das FG Rheinland-Pfalz hatte die verfassungsmäßigen Zweifel am Bundesmodell unter anderem daraus abgeleitet, dass die Ermittlung der Bodenrichtwerte durch die Gutachterausschüsse auf Grund der lückenhaften Datengrundlage zu fehlerhaften Ergebnissen führen und hieraus ein Vollzugsdefizit resultieren würde. Der BFH nahm hingegen ausdrücklich keine Stellung zur möglichen Verfassungswidrigkeit der Bewertungsregeln an sich, da es sich vorliegend lediglich um AdV-Verfahren handelte, und AdV bereits aufgrund der rechtswidrigen Gesetzesauslegung gewährt werden konnte. Der BFH wird voraussichtlich im Hauptsacheverfahren die Möglichkeit bekommen, sich ausführlich mit der möglichen Verfassungswidrigkeit des Bundesmodells auseinanderzusetzen.

FG Baden-Württemberg zum Bodenwertmodell (Baden-Württemberg)

In Baden-Württemberg hat sich die Landesregierung für das sog. Bodenwertmodell entschieden. Hierbei entspricht der Grundsteuerwert dem Produkt aus Grundstücksfläche und dem vom Gutachterausschuss festgelegten Bodenrichtwert. Der Bodenrichtwert soll hierbei den durchschnittlichen Wert des Grund und Bodens in einer bestimmten Bodenrichtwertzone wiedergeben. Die Bebauung des einzelnen Grundstücks ist grundsätzlich unbeachtlich.


Das FG Baden-Württemberg hat nun in seinen zwei Urteilen vom 11.06.2024 (Az. 8 K 2368/22 und 8 K 1582/23) festgestellt, dass aus seiner Sicht keine verfassungsmäßigen Zweifel am Bodenwertmodell vorliegen würden. Zum einen sei die Wahl des Grund und Bodens als alleiniger Steuergegenstand von der Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer gedeckt. Zum anderen sei die Ungenauigkeit durch Ansatz eines Bodenrichtwerts, der pauschal für eine Bodenrichtwertzone ohne Berücksichtigung von Besonderheiten des Einzelfalls ermittelt wird, hinzunehmen. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren Bodenwertes durch ein Gutachten in Baden-Württemberg gesetzlich vorgesehen sei.

Praxishinweis

Das FG Baden-Württemberg hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Urteils die Revision zum BFH zugelassen. Dem Vernehmen nach werden die Kläger hiervon Gebrauch machen. Somit wird der BFH die Möglichkeit bekommen, auch zur Verfassungsmäßigkeit des Bodenwertmodells Stellung zu nehmen. Die bereits anhängigen Einsprüche haben sich somit durch das vorliegende Urteil noch nicht erledigt. Es bleibt abzuwarten, ob der BFH zum gleichen Ergebnis kommen wird wie das FG Baden-Württemberg.

Sonstige Bewertungsmodelle

Hessen hat sich für das sog. Flächen-Faktor-Modell entschieden, bei dem sowohl die Werte des Grund und Bodens als auch der Gebäude einfließen. Dieses Modell wurde in der Fachliteratur eher positiv aufgenommen. Dementsprechend sind hier keine anhängigen Verfahren bei den zuständigen Finanzgerichten bekannt. Hessen hat deshalb als erstes Bundesland reagiert und Mitte Mai begonnen, etwaige Einsprüche wegen der möglichen Verfassungswidrigkeit des Bewertungsregeln zurückzuweisen. Auch hinsichtlich des Flächenmodells in Bayern bestehen für etwaige Rechtsmittel eher geringe Erfolgsaussichten. So hat das FG Nürnberg bereits am 08.08.2023 (Az. 8 V 300/23) geurteilt, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden. Der BFH wurde in diesem Fall nicht eingeschaltet. 

Fazit

Im Rahmen der aktuellen Grundsteuerreform haben die Bundesländer auf Grund der sog. Länderöffnungsklauseln verschiedene Bewertungsmodelle gewählt. Hinsichtlich des sog. Bundesmodells hat der BFH nun geurteilt, dass im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung der Nachweis eines geringeren Werts zugelassen werden muss. Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Bewertungsregeln an sich wurde jedoch in die Zukunft verschoben. Auch hinsichtlich des Bodenwertmodells in Baden-Württemberg wird der BFH künftig über die Verfassungsmäßigkeit entscheiden müssen, auch wenn das FG Baden-Württemberg zunächst keine verfassungsmäßigen Zweifel erkennen konnte. Es bleibt also spannend, wie sich die Verfahren entwickeln. Gesteigert wird der Spannungsbogen durch die Aussicht, dass die Kommunen alsbald die ab 2025 relevanten Hebesätze ermitteln und veröffentlichen müssen. Erst dann wird wirklich erkennbar, was die neuen Grundsteuerwerte für das einzelne Grundstück hinsichtlich der zukünftigen Steuerbelastung bedeuten. Wir halten Sie auf dem Laufenden!

Sebastian Müller

Steuerberater

E-Mail:
sebastian.mueller@falk-co.de


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