VIP-Logen – Was ist bei der Lohnsteuer zu beachten?
BFH entwickelt für die Praxis eine „Betriebsanleitung“ zur Anwendung des § 37b EStG
Der BFH befasst sich in seinem Urteil vom 23.11.2023 – VI R 15/21 ausführlich mit der pauschalen Versteuerung von VIP-Logen. Unter anderem finden sich Gebrauchshinweise, wie Leerplätze bei einzelnen Veranstaltungen zu beurteilen sind oder ob Abschläge für „Kundenbetreuer“ zulässig sind. Nicht nur im Hinblick auf die anstehende Fußball-EM dürften diese Erkenntnisse von erheblichem Interesse sein.
Hintergrund: Versteuerung von VIP-Logen
VIP-Logen in Stadien oder Multifunktionsarenen werden von Unternehmen gerne genutzt, um Kontakte zu Geschäftsfreunden zu pflegen oder neue Kunden zu akquirieren. Die dafür anfallenden Kosten setzen sich im Regelfall aus mehreren Komponenten zusammen: Neben Aufwendungen für (Eigen-)Werbung fallen insbesondere Kosten für die (Geschäftsfreunde-)Bewirtung, die genutzten Räumlichkeiten und selbstverständlich die Eintrittsgelder für die jeweilige Veranstaltung an. Aus Sicht der eingeladenen Geschäftspartner oder auch der eigenen Mitarbeiter führt die unentgeltliche Zurverfügungstellung der Plätze zu geldwerten Vorteilen – wobei steuerlich relevant als „Geschenk“ insbesondere die isolierten Ticketpreise für die besuchte Veranstaltung sind.
Der sog. VIP-Logen-Erlass, der noch aus der Zeit des „Sommermärchens“ (sprich Fußball-WM 2006) stammt, war bislang der Wegweiser, an dem sich die betroffenen Unternehmen regelmäßig orientiert haben: Hiernach darf der Gesamtpreis für die VIP-Loge pauschal zu 40 % auf Werbung und jeweils 30 % auf Bewirtung und Geschenke verteilt werden. Sofern keine andere Zuordnung (z. B. durch Teilnehmerlisten) nachgewiesen wird, ist davon auszugehen, dass von den Geschenken jeweils die Hälfte auf Geschäftspartner bzw. eigene Arbeitnehmer entfallen.
Um zu vermeiden, dass die eingeladenen Geschäftspartner bzw. Mitarbeiter infolge der Zuwendungen Steuerprobleme bekommen, bietet der eingangs erwähnte § 37b EStG dem einladenden Unternehmen die Möglichkeit der pauschalen Versteuerung. Hiernach können die Zuwendungen mit einem Pauschsteuersatz von 30 % besteuert werden, so dass die Einkommensteuer/Lohnsteuer der teilnehmenden Personen abgegolten ist.
Praxishinweis
Die Sozialversicherung für die eigenen Mitarbeiter fällt zusätzlich an!
Sachverhalt des aktuellen Verfahrens
Das klagende Unternehmen unterhielt über einen längeren Zeitraum eine VIP-Loge (12 Plätze) in einer Multifunktionsarena, in der neben Sportveranstaltungen auch Konzerte, Musicals u. v. m. stattfanden. Die Gesamtkosten für die VIP-Loge betrugen jährlich ca. 130.000 EUR – allerdings ohne gesondert abzurechnende Bewirtungskosten. Das Unternehmen wollte die aus den unentgeltlichen Zuwendungen/Geschenken an die eingeladenen Personen resultierende Einkommensteuer nach § 37b EStG übernehmen und pauschal besteuern.
Strittig mit dem (Berliner) Finanzamt war, wie die angefallenen Gesamtkosten auf die beiden Komponenten Werbung bzw. Veranstaltungswert (= Geschenk) aufzuteilen waren. Unter Heranziehung des VIP-Logen-Erlasses nahm die Klägerin eine Aufteilung von 40 Einheiten für Werbung und 30 Einheiten für Geschenke vor (Bewirtungskosten waren ja nicht inbegriffen). Außerdem kürzte die Klägerin vorab die (Gesamt-)Kosten um einen Mitarbeiter je Veranstaltung, weil deren Anwesenheit aus rein dienstlichen Gründen notwendig war.
Das Finanzamt wollte sich damit nicht anfreunden und nahm eine Aufteilung im Verhältnis 25 % für Werbung und 75 % für Geschenke vor. Der Vorwegabzug für einen Mitarbeiter wurde versagt. Die Bemessungsgrundlage für die Anwendung des § 37b EStG auf den „Geschenkeanteil“ erhöhte sich – oh Wunder – auf ungefähr das Doppelte(!).
Das angerufene Finanzgericht Berlin-Brandenburg machte sich mit der Schätzung der geldwerten Vorteile viel Mühe: Zunächst wurden sog. Platzwerte für die 12 Logenplätze berechnet (auf Basis des höchsten Eintrittspreises der jeweiligen Veranstaltung). Diese Platzwerte wurden sodann – nur – auf die belegten Plätze angewendet (also ohne Leerplätze); außerdem wurde ein Abzug für einen dienstlich notwendigen Mitarbeiter anerkannt. Der verbleibende Betrag wurde – allerdings nur soweit er auf die Geschäftsfreunde entfiel – abschließend um den Werbeanteil gekürzt (orientiert am 40%-Satz des VIP-Logen-Erlasses).
Und was macht der BFH hieraus?
Im Grundsatz akzeptiert der BFH die Schätzmethodik des Finanzgerichts, weil eine detaillierte Schätzung je beschenktem Teilnehmer aufgrund der Vielzahl an Veranstaltungen (mehr als 100 pro Jahr) nicht praktikabel war. Folgende Klarstellungen für die Anwendung des § 37b EStG sind der Entscheidung zu entnehmen:
- Leerplätze sind herauszurechnen. Leerplätze stellen weder eine eigenständige Zuwendung dar noch erhöhen sie den geldwerten Vorteil der anderen, aktiv genutzten Plätze. Daher muss der auf Leerplätze entfallende Aufwand für die Pauschalierung herausgerechnet werden.
- Aus dienstlichen Gründen teilnehmende Mitarbeiter beziehen keinen Arbeitslohn. Nimmt ein eigener Mitarbeiter an der Veranstaltung als Gastgeber teil und handelt damit im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse, ist insoweit keine Pauschalierung vorzunehmen. Im Urteilsfall mussten die als „Gastgeber“ eingesetzten Mitarbeiter z. B. darauf achten, dass Werbeflyer auslagen, ausreichend T-Shirts vorhanden waren und das Firmenvideo lief. Außerdem war der „Gastgeber“ auch für den Gästeempfang sowie die Essensbestellungen verantwortlich.
Praxishinweis
Nach der Sanktion durch den BFH kann man sich an folgendem Berechnungsschema orientieren, um den als Geschenk zu erfassenden Aufwand sachgerecht zu schätzen:
1. Sämtliche Plätze der VIP-Loge werden mit einem Platzwert bewertet
= Ticketpreis je Veranstaltung in der höchsten Preiskategorie zzgl. eines Aufschlags (bspw. 5 Euro); ggf. korrigiert um einen Bewirtungsanteil.
2. Für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage des § 37b EStG werden angesetzt:
➔ Summe der Platzwerte für sämtliche eingeladenen Mitarbeiter (ausgenommen diensthabende Mitarbeiter) +
➔ Summe der Platzwerte für sämtliche eingeladenen Geschäftspartner, abzüglich eines Werbeanteils, dessen konkrete Höhe u. a. vom Umfang und Art der Werbung abhängen dürfte (als Orientierung sollte weiterhin der 40%-Satz des VIP-Logen-Erlasses in Betracht kommen).
Um die neuen Grundsätze anwenden zu können, ist es geboten,
- Teilnehmerlisten sorgsam zu führen (z. B. Belegungsbücher etc.) als Nachweise für Leerplätze und die Tätigkeit von Mitarbeitern als „Gastgeber“ (z. B. interne Arbeitsanweisungen);
- die regulären Ticketpreise für die höchste Preiskategorie zu dokumentieren (bei wechselnden Preisen einen Durchschnittspreis).
Die Finanzverwaltung hat bisher noch nicht auf das neue Urteil reagiert. Wir erwarten jedoch, dass der VIP-Logen-Erlass alsbald angepasst wird.