Vorsicht bei Schenkung von Unternehmensvermögen unter Vorbehaltsnießbrauch
Das Bundesfinanzministerium nimmt mit Schreiben vom 28.10.2025 Stellung dazu, in welchen Fällen eine Unternehmensschenkung unter Vorbehaltsnießbrauch ertragsteuerlich neutral sein kann – und wann nicht
In der unternehmensnahen Nachfolgeberatung ist der Wunsch, das Unternehmen zu Lebzeiten ganz oder teilweise in die nächste Generation zu übertragen, an der Tagesordnung. Je früher der Einstieg der nächsten Generation erfolgen soll, desto größer ist tendenziell der Bedarf des Übergebers, seine eigene Versorgung sicherzustellen. In vielen Fällen erscheint die Schenkung unter Vorbehaltsnießbrauch daher zielführend: Die Substanz wird schon übertragen, die Gewinne bleiben noch beim Schenker. Neben der konkreten rechtlichen Ausgestaltung der Nießbrauchsabrede sind stets die steuerlichen Folgen zu antizipieren.
Was ist ein „Vorbehaltsnießbrauch“?
Bei der Schenkung unter Vorbehaltsnießbrauch überträgt der bisherige Eigentümer die Vermögenssubstanz (z. B. Anteile an einer OHG, die Vermögenswerte seines gewerblichen Einzelunternehmens oder eine vermietete Wohnung) an den Erwerber, behält sich jedoch insbesondere die Erträge daraus zurück.
Bildhaft gesprochen wird der Baum schon übertragen, während die (künftigen) Früchte dem Schenker zustehen sollen.
Abhängig von den übertragenen Vermögenswerten und der vertraglichen Ausgestaltung kann das Nießbrauchsrecht auf Lebenszeit vereinbart sein (oder kürzer); es kann z. B. auch auf einen gewissen Gewinnanteil beschränkt sein (Quotennießbrauch), sodass der Erwerber bereits teilweise selbst an den Erträgen partizipiert.
Welche steuerlichen Probleme stellen sich?
Bereits zivilrechtlich/gesellschaftsrechtlich hängen die Möglichkeiten zur Ausgestaltung des (Vorbehalts‑)Nießbrauchs vom betroffenen Vermögen ab. Steuerrechtlich liegt der Fokus – ebenfalls abhängig vom Übertragungsgegenstand – regelmäßig darauf,
- einerseits unliebsame einkommensteuerliche Folgen zu vermeiden,
- andererseits durch und trotz der Nießbrauchsgestaltung schenkungsteuerliche Vorteile zu generieren bzw. nicht zunichtezumachen.
Ertragsteuerliche Risiken
Die Übertragung unternehmerischen Vermögens unter Vorbehaltsnießbrauch stand in den vergangenen Jahren wiederholt auf dem Prüfstand des Bundesfinanzhofs. Da der Übertragungsvorgang grds. „unentgeltlich“ erfolgt, sollte er – so denkt man – einkommensteuerlich „neutral“ erfolgen, also keine Einkommensteuer beim Übergeber auslösen. Dass die Übertragung bei Personenunternehmen jedoch nicht zwangsläufig einkommensteuerlich neutral erfolgt, war Gegenstand und Ergebnis verschiedener BFH-Verfahren, zuletzt des Urteils vom 29.01.2025 – X R 35/19.
Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse – und auch vorherige Rechtsprechung in diesem Kontext – fasst das BMF mit Schreiben vom 28.10.2025 unter Verweis auf die jeweiligen Urteile überblickartig zusammen:
- Die Übertragung der Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens eines Gewerbebetriebs (Einzelunternehmen) unter Vorbehaltsnießbrauch erfolgt nicht einkommensteuerlich neutral, wenn der Übergeber (Vorbehaltsnießbraucher) seine bisherige gewerbliche Tätigkeit fortführt. In diesem Fall kommt es zur (steuerpflichtigen) Entnahme der übergehenden Wirtschaftsgüter ins Privatvermögen. Erst wenn der Nießbrauch später infolge eines unentgeltlichen Vorgangs erlischt (sei es infolge des Verzichts des Nießbrauchers oder dessen Todes), geht der vom Nießbraucher fortgeführte Gewerbebetrieb einkommensteuerlich neutral auf den Erwerber über, wenn dieser die Tätigkeit fortführt.
- Die Übertragung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe unter Vorbehaltsnießbrauch ist jedoch zu Buchwerten – also einkommensteuerlich neutral – möglich.
- Die Übertragung eines gesamten Mitunternehmeranteils (also des Anteils an einer gewerblich bzw. selbstständig tätigen Personengesellschaft) unter Vorbehaltsnießbrauch ist ebenfalls einkommensteuerlich neutral möglich, wenn der Erwerber Mitunternehmer wird (d. h. ausreichende Mitwirkungsrechte bestehen und er an den Chancen, aber auch Risiken partizipiert). Gleiches gilt für einen Teil eines Mitunternehmeranteils.
- Die unentgeltliche Aufnahme einer natürlichen Person in ein bisheriges Einzelunternehmen bei Vereinbarung eines Nießbrauchs ist ebenfalls einkommensteuerlich neutral möglich.
- Die Übertragung eines verpachteten Gewerbebetriebs unter Nießbrauchsvorbehalt ist jedoch nicht einkommensteuerlich neutral möglich.
Für den erstgenannten Fall der Übertragung von Wirtschaftsgütern eines Gewerbebetriebs (Einzelunternehmen) unter Vorbehaltsnießbrauch wird mit dem Schreiben zudem eine Vertrauensschutzregelung für Übertragungen vor dem 17.04.2025 eingeführt.
Praxishinweis
Das Schreiben des BMF kann insbesondere als Einstiegshilfe bei geplanten Übertragungen betrieblicher Einheiten unter Vorbehaltsnießbrauch dienen. Eine umfassende Beurteilung von Einzelfällen kann aber nur unter Zuhilfenahme weiterer BMF-Schreiben bzw. BFH-Rechtsprechung erfolgen. In Zweifelsfällen ist – aufgrund der Höhe der Steuerrisiken – die verbindliche Auskunft nach wie vor das Mittel der Wahl.