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Welche E-Mails liest das Finanzamt mit?

BFH begrenzt den Umfang der herauszugebenden E-Mails und die „Gesetzgebungskompetenz“ der Finanzverwaltung

Der BFH hat in einem aktuellen Urteil vom 30.04.2025 - XI R 15/23 bestätigt, dass auch E-Mails aufzubewahrende Unterlagen im Sinne der abgaberechtlichen Aufbewahrungspflichten darstellen können und demnach auf Verlangen der Finanzverwaltung in einer Betriebsprüfung vorzulegen sind. Dabei hat der BFH allerdings dem weitreichenden Verlangen des Finanzamts nach einem Gesamtjournal aller E-Mails eine deutliche Absage erteilt. Ebenso hat der BFH klargestellt, dass das Finanzamt kein Recht zu eigener Gesetzgebung hat.


BFH bestätigt Aufbewahrungs- und Vorlagepflicht von E-Mails

In den beiden ersten Leitsätzen des Urteils stellt der BFH fest, dass auch E-Mails Handels- und Geschäftsbriefe i. S. v. § 147 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 AO sein können und dass digitale Unterlagen über Konzernverrechnungspreise in den Anwendungsbereich des § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO fallen. Damit bestätigt der BFH, dass E-Mails ebenso wie Papierunterlagen aufbewahrungspflichtig sind, jedenfalls dann, wenn die E-Mail selbst – und nicht ihr Anhang – wesentliche steuerliche Informationen enthält. Für den Fall, dass nur der Anhang solche Informationen enthält, ist auch nur der Anhang aufbewahrungspflichtig. Ebenso ist es laut BFH nicht streitig, dass sich die steuerliche Aufbewahrungspflicht nicht nur auf E-Mails über den Abschluss, sondern auch über die Vorbereitung und Durchführung konzerninterner Vereinbarungen erstreckt.


Damit aber, so der BFH im dritten Leitsatz, ist die Finanzverwaltung im Rahmen der Außenprüfung entsprechend berechtigt, vom Steuerpflichtigen sämtliche E-Mails mit steuerlichem Bezug gemäß § 147 Abs. 6 AO anzufordern. Denn diese Anforderungsmöglichkeit knüpft gerade an die Pflicht zur Aufbewahrung an. Dabei hat der Steuerpflichtige entsprechende Vorsorge zu treffen, seine Datenbestände so zu organisieren, dass dem Finanzamt nur ein selektiver Zugriff auf steuerlich relevante Dokumente gewährt werden kann. Zugleich hat er bei einem Vorlageverlangen das vom BFH in ständiger Rechtsprechung bejahte Erstqualifikationsrecht inne, wonach er steuerlich nicht relevante E-Mails aussondern kann.


Der Kläger hatte auch keinen Erfolg mit seiner Argumentation, dass es im Bereich von Verrechnungspreisen mit § 90 Abs. 3 AO eine Lex specialis gäbe, die abschließend die Aufbewahrungs- und Vorlagepflicht regele und damit die allgemeinen Pflichten aus § 147 AO insoweit verdränge. Der BFH hat hierzu knapp geurteilt, dass die bislang auf Basis der allgemeinen Befugnisse möglichen Eingriffe, wie die Aufbewahrungspflicht, unverändert Bestand haben – unabhängig von anderen spezielleren und ggf. eingriffsintensiveren Maßnahmen wie § 90 AO.


Aber: BFH setzt der Finanzverwaltung auch Grenzen!

Allerdings hat der BFH nicht nur die Revision des Klägers, sondern auch diejenige des beklagten Finanzamts als unbegründet abgelehnt. Denn im Sachverhalt hatte das Finanzamt neben den steuerlich relevanten Unterlagen auch ein sogenanntes Gesamtjournal in digitaler Form angefordert, in dem Informationen zu jedweder E-Mail des Steuerpflichtigen und seiner Mitarbeiter aufzuführen waren.


Dies hat der BFH mangels Rechtsgrundlage in der AO klar abgelehnt. Denn ein solches Gesamtjournal enthält einerseits auch Informationen zu solchen E-Mails, die gerade keinen steuerlichen Bezug haben. Da solche E-Mails jedoch nicht aufbewahrungspflichtig sind (§ 147 AO), kann das Finanzamt solche E-Mails nicht anfordern, und damit erst recht nicht ergänzende Begleitinformationen zu diesen E-Mails.


Andererseits müsste ein solches Gesamtjournal erst noch erstellt werden. Dies verstärkt die Rechtswidrigkeit einer solchen Anforderung auf Basis von § 147 AO, da sie offensichtlich nicht erstellt und aufbewahrt werden müssen. Daran scheitert aber ebenfalls eine Anforderung des Finanzamts auf Basis von § 200 AO (regelt die Mitwirkungspflichten des Steuerbürgers bei einer Betriebsprüfung). Zwar können mit Hilfe dieser Norm im Rahmen der Außenprüfung Unterlagen auch ohne entsprechende Aufbewahrungspflicht angefordert werden. Laut Rechtsprechung des BFH bezieht sich diese Pflicht allerdings auf tatsächlich vorhandene Unterlagen, sodass bereits deshalb im konkreten Fall eine Vorlage nicht auf § 200 AO gestützt werden konnte. Auch die vom Finanzamt angeführte kreative Rechtssetzung aus eigener Kraft – auch ohne Rechtsgrundlage sei das Verlangen eines Journals schließlich eingriffsärmer als die Vorlage sämtlicher steuerlich relevanter E-Mails – wurde vom BFH angesichts der in Deutschland verankerten Gewaltenteilung abgewiesen.

Ausblick

Das BFH-Urteil bestätigt wenig überraschend, dass auch E-Mails bei entsprechender steuerlicher Relevanz aufbewahrungspflichtig und damit vorlagepflichtig i. S. d. § 147 AO sind. Bedauerlicherweise hat der BFH in diesem Urteil keine Entscheidung darüber getroffen, inwieweit die Finanzverwaltung im Rahmen des § 147 AO die Vorlage eines bestimmten Ordnungssystems verlangen darf. Zumindest hat der BFH einem weitreichenden Verlangen des Finanzamts nach einem Gesamtjournal aller E-Mails eine deutliche Abfuhr erteilt, da sich dies nicht im Rahmen des § 147 AO bewegte.


Gemessen an diesem Urteil ist es für Steuerpflichtige in jedem Fall sinnvoll, in den Datenbanken eine entsprechende Unterscheidung zwischen steuerlich relevanten und anderen Unterlagen zu treffen. Zugleich sollten Steuerpflichtige bei zusätzlichen – über das gesetzlich geforderte Maß hinausgehenden – Aufzeichnungen und Unterlagen insoweit vorsichtig sein, als ein Vorlageverlangen nach § 200 AO drohen könnte.

Dr. Gregor Führich

Steuerberater

E-Mail:
gregor.fuehrich@falk-co.de


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