E-Rechnung: Neues BMF-Schreiben präzisiert Pflichten, Validierung, Vorsteuer
Abgrenzung von Format- vs. Geschäftsregelfehlern, Bedeutung technischer Validierung, Vorsteuer in der Übergangsphase und weitere Klarstellungen
Das neue BMF-Schreiben vom 15.10.2025 führt die 2024 begonnenen Leitlinien fort (wir berichteten bereits E-Rechnung: Neuer Entwurf eines BMF-Schreibens u. E-Rechnungspflicht ab 2025: Was Unternehmen wissen müssen) und passt den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) umfangreich an. Im Fokus: technische Validierung, präzise Fehlerkategorien und die Einordnung „sonstiger Rechnungen“ in der Übergangszeit bis Ende 2027. Unternehmen sollten ihre Eingangs- und Ausgangsprozesse auf Anpassungs- und Optimierungsbedarf überprüfen.
1. Klarstellungen im BMF-Schreiben
a) Formatfehler vs. Geschäftsregelfehler – technische Validierung
- Formatfehler (z. B. falsche Syntax, keine vollständige Extraktion): Syntax ist die Logik, wie Inhalte einer elektronischen Rechnung maschinenlesbar strukturiert werden. Sie bestimmt die Anordnung der Datenfelder (z. B. Rechnungsnummer, Leistungsbeschreibung, Steuerbetrag) innerhalb des Dateiformats. Eine Datei stellt bei Formatfehlern keine E-Rechnung dar; sondern nur „sonstige Rechnung“ in einem anderen elektronischen Format. Die Prüfung ist mittels geeigneter Validierungssoftware möglich.
- Geschäftsregelfehler: Ein Geschäftsregelfehler liegt vor, wenn gegen logische Plausibilitäten nach EN 16931/XRechnung verstoßen wird, z. B. fehlendes Pflichtfeld [Pflichtangaben gem. § 14 Abs. 4 UStG], rechnerische Inkonsistenzen [Steuerbetrag entspricht nicht Bemessungsgrundlage x Steuersatz]. Zu den Rechtsfolgen verweist das Schreiben auf die neue Rn. 35a.
b) Rechnungspflichtangaben
Große Bedeutung dürfte die Klarstellung haben, dass insbesondere bei der Leistungsbeschreibung bei der E-Rechnung ein bloßer Verweis auf den Lieferschein, der nicht in strukturierter elektronischer Form Teil der Rechnung ist, nicht mehr ausreichen soll. Die Leistungsbeschreibung soll bereits im strukturierten Teil der Rechnung vorhanden sein; wie ausführlich diese dann sein muss, bleibt allerdings offen. Sehr wahrscheinlich ist dies die Grundlage für eine spätere automatisierte Auswertung durch die Finanzverwaltung, sobald auch ein entsprechendes Meldesystem gesetzlich implementiert ist. Ebenso wird klargestellt, dass Änderungen im Leistungsumfang oder -gehalt (z. B. Aufmaßänderungen) nicht lediglich einen Fall von § 17 UStG darstellen (= Korrektur der Bemessungsgrundlage) und es stattdessen einer korrigierten E-Rechnung bedarf.
c) Weitere Prüfpflichten
Die Validierung ersetzt nicht die inhaltliche Prüfung durch den Leistungsempfänger. Die inhaltliche (materiell-rechtliche) Prüfung der Rechnung, z. B. ist der Steuerausweis tatsächlich zutreffend oder greift eine Steuerbefreiung bzw. die Steuerschuldnerschaft des Empfängers, ist wie in der Vergangenheit auch beim Format der E-Rechnung vorzunehmen.
d) Zulässige Formate / elektronische Verarbeitung
- EN-16931-konforme Formate (z. B. XRechnung) sind „immer zulässig“; die Erfüllung kann durch Validierung nachgewiesen werden. Links auf externe Ziele genügen nicht, Pflichtangaben müssen im strukturierten Teil stehen (hybride Anhänge sind möglich).
- EDI bleibt zulässig, wenn die Voraussetzungen eingehalten werden.
e) Übertragungswege
Den Vertragsparteien steht es frei, auf welche Weise die Übermittlung der E-Rechnung erfolgt. Mögliche Übertragungswege sind der Versand per E-Mail, der Download über ein Internetportal oder EDI oder durch gemeinsamen Zugriff auf eine Cloud (zentraler Speicherort). Ferner gibt es weitere, nicht explizit aufgeführte Möglichkeiten der Übertragung, wie z. B. PEPPOL.
f) Kleinbetragsrechnungen, Kleinunternehmerrechnungen und Fahrausweise
Für Kleinbetragsrechnungen (≤ 250 EUR), Rechnungen von Kleinunternehmern sowie Fahrausweise bleibt die „sonstige Rechnung“ möglich; bei anderen elektronischen Formaten ist eine (formlose, auch konkludente) Zustimmung des Empfängers erforderlich.
g) Aufbewahrung / GoBD-Bezug
Für USt-Zwecke ist mindestens der strukturierte Teil der E-Rechnung unverändert zu archivieren; außerhalb eines GoBD-Systems gespeicherte E-Rechnungen verletzen allein deshalb nicht § 14b Abs. 1 UStG. Für andere Zwecke gelten die GoBD fort.
h) Anwendungsregelung
Die im BMF-Schreiben enthaltenen Regelungen gelten für alle Umsätze ab dem 31.12.2024; die Übergangsregelungen bis 31.12.2027 bleiben maßgeblich (vgl. BMF-Schreiben vom 15.10.2024, BStBl I S. 1320, Rn. 62 bis 65).
2. Vorsteuerabzug in der Übergangszeit – der kritische Punkt
Der UStAE (Abschnitt 15.2a) wird so ergänzt, dass bei bestehender E-Rechnungspflicht eine sonstige Rechnung grundsätzlich keine ordnungsgemäße Rechnung i. S. d. §§ 14, 14a UStG ist. Folge: Der Vorsteuerabzug ist dem Grunde nach ausgeschlossen. Aber: Ergänzend stellt das BMF klar, dass in bestimmten Fällen bei einer inhaltlich richtigen und vollständigen sonstigen Rechnung die Voraussetzungen regelmäßig als erfüllt gelten können (insb. solange keine Berichtigung durch nachträgliche E-Rechnung erfolgt ist).
3. Zeitplan & Übergangsphasen (Überblick)
- Empfangspflicht: seit 01.01.2025 ohne Übergang (B2B-Inland).
- Ausstellungspflicht: gestuft ab 2027, zunächst u. a. für Unternehmen mit Vorjahresumsatz > 800.000 EUR, ab 2028 grundsätzlich für alle.
Praxishinweis
Eingang (Vorsteuer-Sicherheit):
Es sollte eine Validierungsanwendung verwendet werden, die die E-Rechnungen automatisiert prüft (EN-16931-Konformität + Geschäftsregeln), Validierungsberichte sind zu dokumentieren.
Inhaltsfehler können zur Versagung des Vorsteuerabzugs führen, auch wenn die Validierung „grün“ zeigt. Besondere Aufmerksamkeit sollte der Leistungsbeschreibung als Rechnungspflichtangabe geschenkt werden, da der bloße Verweis auf nicht strukturierte Daten, also Unterlagen in Papierform oder als PDF bzw. in einem anderen nicht strukturierten elektronischen Format, aus Sicht der Finanzverwaltung nicht mehr ausreicht und den Vorsteuerabzug gefährdet. Eine fachliche (materielle) Prüfung muss zusätzlich erfolgen, also ob die in Rechnung gestellte Leistung überhaupt der Umsatzsteuer unterliegt. Berichtigungen bleiben auch bei der E-Rechnung möglich.
Ausgang (Pflicht zur E-Rechnung):
Die Zeit bis zur verpflichtenden Einführung sollte genutzt werden, um Prozesse umzustellen (Formate, EDI/XRechnung, hybride Rechnungen, Referenzfelder wie BT-10).
Archivierung & Compliance:
Der strukturierte Teil der E-Rechnung ist unverändert aufzubewahren; GoBD sind weiterhin für nicht-umsatzsteuerliche Zwecke maßgeblich.